In Teil 1 und Teil 2 der Serie ‘Freiwilligenarbeit im Ausland – wer hilft wem?’ haben wir uns mit den Herausforderungen und Chancen von Freiwilligenarbeit im Ausland beschäftigt.
Im dritten Teil möchte ich euch zwei beeindruckende Persönlichkeiten vorstellen, beide habe ich vorletztes Jahr in Kenia getroffen und für meine Forschungsarbeit interviewt.
Freiwilligenarbeit in Kenia
In Kenia wird der Volunteer Tourismus ein immer wichtigerer Tourismuszweig, vor allem für jüngere Menschen. Ansonsten kennt man die Destination Kenia entweder als Urlaubsziel für den Strandurlaub rund um Mombasa oder als Safari-Destination in der Gegend um die Masai Mara.
Als ich Sandra in Nakuru besucht habe, durfte ich auch bei Julie und Moses im Haus wohnen und es ergab sich zum Glück für mich auch die Möglichkeit mit Julie ein Interview über ihr Projekt ‘Valley of Tumaini Children’s Home’ zu führen.
Freiwilligenarbeit bei Julie und Valley of Tumaini Children’s Home
Julie ist ein Energiebündel, sie steckt sehr viel Liebe und Zeit in ihre Arbeit – sie ist Event-Managerin und organisiert Veranstaltungen in den unterschiedlichsten Größenordnungen in ganz Kenia. Dieses Business hat sie gemeinsam mit ihrem Mann Moses gestartet. Trotz dieser großen Verantwortung engagiert sie sich ehrenamtlich und hat das Waisenhaus ‚Valley of Tumaini’ gegründet, was auf Swaheli so viel wie ‚Tal der Hoffnung’ bedeutet.
Zur Zeit wohnen 21 Kinder und Jugendliche dort. Betreut werden sie von Gertrud und die älteren BewohnerInnen helfen auch viel im Haushalt bei Julie mit und lernen von der Haushälterin. Julie’s wichtigstes Anliegen ist es, für eine gute Bildung ihrer Kinder und Zöglinge zu sorgen und sie, sobald sie alt genug sind in die Selbstständigkeit zu entlassen. Sie möchte ihr Waisenhausprojekt so nachhaltig wie möglich gestalten und sucht nach alternativen Möglichkeiten, bedürftige Jugendliche in Ihrer Region auf ihrem Bildungsweg zu unterstützen.
Das liebe Geld…
Die finanzielle Situation des Waisenhauses ist problematisch: Julie und Moses verdienen zwar genug, um die laufenden Kosten zu tragen, doch bei der Zahlung der Schulgelder zu Beginn jedes Trimesters ist es schwierig , die gesamte Summe aufzubringen. In Kenia sind die Kosten für den Schulbesuch vergleichsweise hoch. Auch die Qualität der Schulbildung schwankt stark, je teurer die Schule, desto besser die Ausbildung. Die Schuluniformen und Unterlagen sind ebenfalls aufzubringen. Öffentliche Förderungen für Waisenhäuser gibt es laut Julie nicht.
Unvorhergesehene Ereignisse wie Krankheiten, Unfälle oder Ähnliches sind natürlich auch schwierig zu finanzieren. Hier ist sie auf Subventionen und Spenden durch Förderer, wie zum Beispiel ehemalige Volunteers, angewiesen.
Julie hat gerne Volunteers zu Besuch, wichtig ist ihr dabei vor allem der Austausch und das gemeinsame Entwickeln von Ideen, wie man mit diesen Situationen umgehen kann. Sie arbeitet auch gerne mit Freiwilligen aus der Region und gibt ihr Wissen gerne weiter. Sie hat einige Bekannte, die auch Waisenhäuser betreiben und mit internationalen Volunteer Entsendeorganisationen zusammenarbeiten. Julie hat sich gegen diese Möglichkeit entschieden, da sie erstens selbst entscheiden möchte, wer sie und ihr Projekt besucht und zweitens der Meinung ist, dass dadurch Abhängigkeiten entstehen können.
Sie wollte nicht genauer darauf eingehen, doch im Gespräch mit anderen AkteurInnen in der Gegend ist der Eindruck entstanden, dass sich die Begeisterung über den wachsenden Volunteer Tourismus in Waisenhäusern in Grenzen hält.
Gemeinsam Ideen entwickeln
Bei ‘Valley of Tumaini’ geht es nicht darum, “etwas mit Kindern” zu machen, sondern darum, gemeinsam mit Julie und Moses Ideen zu entwickeln, wie das Waisenhaus finanziell getragen werden kann, Fundraising zu betreiben und etwas über Kenia zu lernen. Von Julie kann man lernen, wie man mit viel Eigeninitiative etwas bewirken kann.
Die Kinder im Waisenhaus haben eine Bezugsperson, die immer vor Ort ist, aber sie freuen sich natürlich über Besuch und gemeinsam verbrachte Zeit. Sie sind im schulfähigem Alter und verbringen deshalb auch die meiste Zeit unter der Woche in der Schule. Wie es Sandra gefallen hat, könnt ihr in ihrem Erfahrungsbericht nachlesen. Sie ist weiterhin in Kontakt mit Julie und unterstützt das Projekt mit ihrer Fundraising Website/Blog Sanyes. Ich denke es wäre wichtig, mindestens 2-3 Monate zu bleiben und etwas Erfahrung in Fundraising, Marketing und viel Kreativität sind auf jeden Fall mitzubringen. Während des Aufenthalts steht gegenseitiges voneinander Lernen im Vordergrund. Bei Interesse freut sich Julie über Kontaktaufnahme: tumainiwatoto (at) yahoo.com
Aljas und die Fearless and Cherished Foundation
Aljas haben Sandra und ich in Nakuru kennengelernt. Er hat uns wiederholt angesprochen, ob wir sein Projekt besuchen wollen. Da ich sowieso auf der Suche nach Geschichten von Volunteers und interessanten Organisationen war, ließen wir uns darauf ein.
Aljas ist Boda Boda Fahrer, ein in der Region für Kurzstrecken übliches Fortbewegungsmittel, ein Motorrad-Taxi. Er hat die ‚Fearless and Cherished Foundation’ gegründet, weil er Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen, die in Nakuru auf der Straße leben und keine Möglichkeit auf eine Schulbildung haben, übernehmen möchte. Im Vorstand des Vereins sind unter anderem ein Freund, der ein Internet-Cafe betreibt und dort auch Computerkurse anbietet.
Aljas fühlt sich von Gott berufen, bedürftigen Kindern zu helfen, ihm geht es vor allem um die Finanzierung der Bildung. Bildung sieht er als die größte Chance für die Zukunft der Kinder und Jugendlichen in Kenia. Er würde gerne ein Waisenhaus gründen, ihm fehlen jedoch die finanziellen Mittel.
Stiftung für Stipendien
Jeder ersparte Kenia-Schilling fließt in seine Foundation, dabei handelt es sich um eine Stiftung für Stipendien. Auch er kämpft am meisten zu Trimesterbeginn mit der Aufbringung des Schulgeldes. Dann legt er extra Schichten mit dem Boda Boda ein und spricht TouristInnen an. Ich weiß nicht wie erfolgreich er damit ist, wenn man die Hintergründe und das Projekt selbst nicht kennt. Gerade deshalb haben wir ihn gebeten uns mehr zu erzählen und hatten so die Möglichkeit seinen Partner vom Internet-Cafe und zwei seiner ‚Schützlinge’ kennenzulernen. Die ‘Fearless and Cherished Foundation’ unterstützt von unterschiedlich viele Kinder mit Stipendien für das Schulgeld, je nachdem wie die finanzielle Situation gerade aussieht.
Aljas hat erzählt, er hat auch schon mit Volunteers gearbeitet, die ihm beim Fundraising unterstützt haben. Er hat zwar nur ein sehr kleines Haus, aber jedeR ist willkommen bei ihm zu wohnen. Ich wollte mit ihm in Kontakt bleiben und seine Foundation auch finanziell aus der Ferne unterstützen, bin aber an der Entfernung bzw. daran gescheitert, dass es sich hier wirklich um eine Grassroots Organisation handelt. Es gibt zum Beispiel kein funktionierendes internationales Bankkonto. Wer Aljas und sein Vorhaben also unterstützen möchte, ist vor Ort in Kenia gefragt. Erreichen kann man ihn am besten über die Facebook Seite der Foundation.
Was ist nun die Antwort auf die Frage ‘wer hilft wem’?
Könnt ihr es erraten?
Der Begriff der Solidarität beschreibt keine Hilfestellung, die vielleicht mit einer Erwartungshaltung einer Gegenleistung einher geht. Es geht auch nicht nur um den so genannten interkulturellen Austausch. Solidarität beschreibt die Empathie, die wir unseren Mitmenschen gegenüber empfinden, diese Empathie beginnt bei der Nachbarin, also lokal und sollte uns im alltäglichen Leben begleiten. Julie, Moses und Aljas engagieren sich in ihrem Heimatort, in ihrer Gemeinde, diese Möglichkeit steht uns auch offen. Für ein ehrenamtliches Engagement im Ausland ist es jedoch Grundvoraussetzung, sich vorab mit Themen wie Rassismus, Kolonialisierung, Entwicklungpolitik, Menschenrechte und vieles mehr zu befassen und sich für die Lernerfahrung zu öffnen.
Kennt ihr auch eine Organisation oder ein Projekt, welches nicht mit internationalen Entsendeorganisationen arbeitet aber internationale Partner sucht? Wollt ihr über eine Begegnung erzählen oder einen Gastbeitrag schreiben, dann kontaktiert uns per Email oder in der Kommentarfunktion.
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