Wir sind zu Workaway gekommen, wie die viel zitierte Jungfrau zum Kind: Nach fünf Wochen in Panama City war es Zeit für eine Veränderung, nur hatten wir keinen Plan, wie diese aussehen sollte. Ein befreundetes Pärchen, die beiden wohnen auf einem Segelboot und betreiben den sehr empfehlenswerten Blog Zeitwärts, hat uns auf die Idee gebracht, auf ein Haus in ihrer Nähe an der Karibikküste Panamas aufzupassen. Wir haben uns diese Option dann auf der Plattform Workaway genauer angeschaut und waren als „Volunteer-Profis“ sofort Feuer und Flamme. Die Anforderungen erschienen uns gerechtfertigt: Für freie Logis sollte man sich hauptsächlich um die Reinigung des Hauses und des dazugehörigen Pools kümmern. Die Gastgeberin Amy betreibt auch eine Charity-Einrichtung für Hunde und bei entsprechenden Qualifikationen kann man sich auch bei der NGO einbringen: Unterstützung bei den regelmäßig stattfindenden Hundekliniken, Hilfe bei der Wartung der Website, Social Media Marketing, Fundraising, etc. Die gesamte Arbeitsleistung soll 8 bis 10 Stunden pro Woche betragen. Bevor ich über unsere Erfahrungen berichte, ein paar allgemeine Infos zu dieser Form des Volunteering und einige kritische Anmerkungen.
Was ist Workaway?
Auf der Website der Plattform ist zum Selbstverständnis folgendes zu lesen:
„Our philosophy is simple: A few hours honest help per day in exchange for food and accommodation and an opportunity to learn about the local lifestyle and community, with friendly hosts in varying situations and surroundings.“
Klingt doch gut, oder? Ein paar Stunden Arbeit in unterschiedlichsten Bereichen, dafür bekommt man Kost und Logis und die Möglichkeit, eine Kultur besser kennenzulernen. Das Ganze auch noch mit einer freundlichen GastgeberIn anstatt einer grantigen ChefIn. Nach eigenen Angaben vermittelt Workaway zurzeit Volunteers in 155 Länder. Die Tätigkeitspalette ist dabei breit gefächert: Von House-Sitting und Mithilfe in Hostels bis Farm-Arbeit und Fremdsprachenunterricht ist so ziemlich alles zu finden. Für die GastgeberInnen (Hosts) ist die Registrierung kostenlos. Volunteers (Workawayers) bezahlen 29.00 US-Dollar für eine einjährige Mitgliedschaft als Einzelperson oder 38.00 US-Dollar als Paar (wobei die Art der Beziehung keine Rolle spielt; es können sich also auch zwei Freunde als Paar registrieren). Es fallen darüber hinaus keine weiteren Gebühren an. Nach der Registrierung bekommt man Zugang zu seiner Profilseite, auf der man Details zu seiner Person und zu den eigenen Qualifikationen angeben kann. Weiters besteht auch die Möglichkeit, sich mit anderen UserInnen auszutauschen.
WICHTIG: Workaway stellt nur die Plattform zur Verfügung und fungiert nicht als Vermittlungsagentur. Das bedeutet, dass man sich um eine Kranken- und Unfallversicherung sowie um allfällige Visa selbst kümmern muss. Das betrifft nicht nur die Einreisvisa sondern auch die Arbeitsvisa. In den meisten Ländern braucht man, sobald man einer Arbeit nachgeht, ein spezielles Arbeitsvisum, welches in der Regel sehr schwer zu bekommen ist. In der Praxis reist man mit einem Touristenvisum ein und verschweigt die Volunteer-Tätigkeit – man arbeitet also eigentlich illegal bzw. auf gut österreichisch schwarz.
Reality Check: Die Philosophie von Workaway
Noch einmal zur Erinnerung die Grundidee von Workaway: Kost und Logis sowie die Möglichkeit eine Kultur kennenzulernen gegen ein paar Stunden Arbeit in unterschiedlichen Bereichen. Angeleitet und unterstützt wird man dabei von einer freundlichen und engagierten GastgeberIn.
Klickt man die Angebote auf der Plattform durch, wird schnell klar, dass die Verpflegung bei vielen Hosts nicht inkludiert ist. Das ist aber wohl der kleinste Kritikpunkt, da man diese Frage im Vorfeld abklären kann. Viel problematischer erscheint die erwartete Arbeitsleistung. Workaway gibt als Referenzrahmen 5 Arbeitsstunden an 5 Tagen die Woche an. In Summe also 25 Arbeitsstunden. Dies mag für karitative Zwecke (Umweltschutz, Projekte im sozialen Bereich, etc.) auch absolut angemessen erscheinen. Der Großteil der Angebote ist jedoch nicht im non-profit, sondern im kommerziellen Bereich verortet. So inserieren beispielsweise unzählige Hostels und andere Unterkunftsarten auf Workaway. Erwartet wird dabei die unentgeltliche Mitarbeit im Umfang von bis zu 30 Stunden pro Woche in einem gewinnorientierten Tourismusbetrieb. Das ist zumindest unter zweierlei Gesichtspunkten höchst problematisch: Einerseits stellt sich für die Volunteers die Frage, inwieweit eine Vergütung in Form eines im schlimmsten Fall Schlafsaalbettes gerechtfertigt ist. Oder anders formuliert: Wer würde in Österreich oder Deutschland 30 Stunden pro Woche für ein Unternehmen arbeiten und sich als Entlohnung dafür ein Zimmer mit 10 anderen Personen teilen? Andererseits, und dieser Punkt wiegt noch viel schwerer, ist es absolut nicht nachvollziehbar, warum die meist aus dem Ausland stammenden EigentümerInnen dieser Tourismusbetriebe auf die gratis Arbeitsleistung von Volunteers zurückgreifen, anstatt lokale Arbeitskräfte dafür zu bezahlen. Wenn man in diversen Foren und Gruppen stöbert, kommen auch Zweifel an der Freundlichkeit so mancher GastgeberIn auf. Beispielshalber sei auf einen Erfahrungsbericht aus Hawaii hier und einen aus Mexiko hier verwiesen.
Unsere Erfahrungen mit Workaway in Panama
Vorab: Die oben skizzierten negativen Seiten des Workaway haben bei uns überhaupt nicht zugetroffen – ganz im Gegenteil. Unsere Gastgeberin Amy war der Inbegriff einer perfekten Workaway-Host.
Die ersten eineinhalb Wochen unseres gesamt dreiwöchigen Aufenthalts waren wir vor allem mit Hausarbeiten beschäftigt. Die Reinigung und Instandhaltung des Pools gehörten ebenfalls zu unseren Aufgaben. Dass wir überhaupt keine Erfahrung damit hatten, war kein Problem. Nach einer Einschulung durch Amy und etwas Übung hatten wir den Pool recht schnell im Griff. Weiters kümmerten wir uns um den Online-Auftritt ihrer NGO Panama Dog Rescue und aktualisierten die Website und die Social Media Kanäle. Amy hat uns auch zum Schnorcheln mitgenommen und bei den anschließenden BBQs erhielten wir die Gelegenheit, die Expat-Community von Puerto Lindo kennenzulernen. Der Ort ist bis jetzt noch kaum auf der touristischen Landkarte verzeichnet, allerdings ist die geschützte Bucht bei SeglerInnen sehr beliebt. So bekamen wir Zugang zu einer uns bis dahin völlig unbekannten Welt: die Welt der WeltumseglerInnen. Wir wurden von diesem Lebensentwurf so in den Bann gezogen, dass wir diesem Phänomen einen eigenen Blogpost gewidmet haben. Die erste Hälfte unseres Workaway-Aufenthalts verging also wie im Flug. Im Nachhinein betrachtet, war das die buchstäbliche Ruhe vor dem Sturm. Aber der Reihe nach: In der zweiten Woche unseres Aufenthalts hörten wir von einem starken Sturm, der sich vor der Karibikküste Panamas zusammenbraute. Die SeglerInnen beruhigten uns aber und meinten, dass erstens, Panama so gut wie nie von starken Stürmen betroffen ist (Hurrikans entstehen normalerweise auf der Höhe von Panama und ziehen dann weiter nach Norden) und zweitens, die Hurrikansaison eigentlich zu Ende sei. Nachdem das Wetter sich generell die ganze Zeit über sehr regnerisch und windig gestaltete, haben wir dem immer stärker werdenden Wind anfänglich auch kaum Bedeutung zugemessen. Als dann allerdings die ersten Bäume immer heftiger auf unser Hausdach schlugen, recherchierten wir auf der Website des National Hurricane Center. Schnell wurde klar, dass das erst die Vorboten eines mächtigen Sturm waren, der Hurrikanstärke erreichen könnte. Das war dann auch die letzte Information aus der Außenwelt, denn kurz darauf gingen die Lichter aus. Die darauf folgenden vier Tage verbrachten wir wartend und bangend ohne Wasser und Strom. Die Regenmengen waren unglaublich: Alles stand tief unter Wasser und unser Haus fungierte für uns als Insel. Die Wassermassen vermurten und unterspülten Straßen und die Wucht des Sturms knickte Strommasten und Bäume, versenkte Schiffe und entwurzelte sogar Urwaldriesen. Als das Gröbste vorüber war, waren alleine in Panama neun Todesopfer zu beklagen. Der Hurrikan mit dem Namen Otto forderte auf seinem Weg Richtung Norden weitere zehn Leben in Costa Rica. Vier Menschen starben in Nicaragua.
Die letzten Tage verbrachten wir dann mit Aufräumarbeiten, bevor wir uns schweren Herzens von Amy und Puerto Lindo verabschiedeten und uns auf den Weg zurück nach Panama City machten.
Fazit
Prinzipiell sind wir von der Grundidee bei Workaway begeistert und unser Aufenthalt an der Karibikküste Panamas war trotz des Hurrikans ein unvergessliches und sehr lehrreiches Erlebnis. Auf jeden Fall sollte man sich ganz genau die Anforderungen, die an die Arbeitsleistung gestellt werden, anschauen. Wie auch bei AirBnB und anderen Sharing Economy Angeboten sind die Reviews ein guter Indikator und sollten unbedingt genau gelesen werden. Mehr Infos über die Sharing Economy gibt es in diesem Post nachzulesen.
Von Workaway Möglichkeiten in Hostels und anderen Unterkunftsarten sollte man besser Abstand nehmen, da man dabei in direkte Konkurrenz mit der lokalen Bevölkerung tritt und die Menschen vor Ort die Jobs nicht als Zeitvertreib auf Reisen sondern zum Überleben benötigen.
Ein Video-Interview mit unserem Workaway Host Amy, in dem sie über die Ziele ihrer NGO ‚Panama Dog Rescue’ sowie ihre Arbeitsweise und wie sich Volunteers engagieren können spricht, findet sich hier.
Mehr Informationen zu allen Arten des Volunteering gibt es in unserem Ebook ‚FAIRreisen statt verreisen – Nachhaltig unterwegs als Volunteer’ – dem Ratgeber für Freiwilligenarbeit im globalen Süden.
Weche Erfahrungen hast du mit Workaway gemacht? Wir freuen uns über deine Kommentare!
Hey ihr beiden,
das ist ja lustig! Das wäre eigentlich auch unsere erste Wahl für ein Workaway in Panama gewesen, aber leider hat uns Amy nicht geantwortet. Stattdessen haben wir aber auf der anderen Seite ein Workaway auf einer Schaf- und Ziegenfarm gemacht, das ebenfalls eine tolle Erfahrung war.
Der Hurrikan war in der Tat sehr heftig, obwohl wir am Pazifik davon weitgehend verschont wurden. Dafür hat es die Woche davor und danach bei uns nur in Strömen geregnet und die “Straßen” sahen permanent so aus wie bei euch auf dem Bild.
Wir wünschen euch noch viele tolle Erfahrungen mit und ohne Workaway und bedanken uns für die Verlinkung!
Liebe Grüße aus Panama
Chris
Hi!
Ja, das ist wirklich sehr lustig! Gibt’s einen Bericht über euer Workaway in Panama?
Guten Rutsch und Safe Travels!
Robert
Hallo, sehe ich auch so – anderen die Arbeitsplaetze wegnehmen fuer ein Gratis Bett ist nicht okay. Leider boomt der Trend aber.
Ich habe in Belize bei einem Earth Ship Haus 8 Stunden gearbeitet dazu noch fuer alle abgespuehlt und es war immer noch nicht genug und ich wurde kurz vor der Nacht vom Hof geschmissen.
Was bei workaway auch bloed ist dass man keine negativen Bewertungen hinterlassen
LG Heike
Hallo Heike,
ui, das klingt ja ganz übel. :( Aber danke fürs Teilen!
Es mehren sich in letzter Zeit die negativen Erfahrungsberichte – wir hatten wohl wirklich Glück!
Liebe Grüße,
Robert
Wahnsinn, der Hurrikan. Zum Glück seid ihr heil raus gekommen. WorkAway an sich interessiert mich schon sehr lange, ich hab es aber noch nie umsetzen können. Für die speziellen Visa für USA, Kanada, Australien und so weiter – wo das eben sehr aktiv genutzt wird – bin ich schon zu alt. Das hier ist dann eine Möglichkeit, die ich durchaus nutzen könnte.
Workaway ist definitiv eine gute Alternative zu den unterschiedlichen ‚work and travel‘ Angeboten. Man sollte sich aber unbedingt die Visumsbestimmungen genau anschauen!
Liebe Grüße,
Robert
Schade, dass der Grundgedanke des Work away inzwischen oftmals so verändert wird. Hier in Thailand gibt es auch ganz viele Angebote von Hostels und Bars. Nicht nur, dass es Einheimischen die Arbeitsplätze wegnimmt, es ist auch einfach nicht erlaubt und wer sich als Tourist nicht informiert kann u.U. ins Gefängnis wandern. Deshalb postet weiterhin eure positiven Beispiele, dann weiß man auf was man achten muss.
Viele Grüße
Victoria
Wow, das wusste ich nicht – danke für den Hinweis! Wenn du dazu mehr Infos hast, wäre das für unsere LeserInnen sehr wertvoll.
Die Variante WorkAway kannte ich noch garnicht. Ist eine tolle Idee, so Land und Leute besser kennen zu lernen.
Das Erlebnis Hurrikan braucht man sicherlich nicht. Schön das es für Euch so gut ausgegangen ist.
Liebe Grüsse, Susanne
Es kann auf jeden Fall eine gute Möglichkeit sein, Menschen kennenzulernen. Auf den Hurrikan hätten wir eigentlich auch verzichten können..
Liebe Grüße,
Robert
Workaway kenne ich aus Japan. Da finde ich das super. Eine tolle Gelegenheit, mal ins echte japanische Leben auf dem Bauernhof einzutauchen. Für Länder, in denen die Löhne allerdings niedrig sind, sehe ich das etwas kritisch. Da finde ich euer Fazit am Ende des Artikels wirklich gut.
Liebe Grüße
Daniela
Danke!
Hast du das auf einem japanischen Bauernhof gemacht?
Liebe Grüße,
Robert
Ich finde es super, dass ihr euch auch mit den negativen Aspekten des Workaway beschäftigt und darüber schreibt. Ich kann mich an eure Zeit in Panama erinnern, ich saß damals in Costa Rica und wartete auf den Wirbelsturm…
Danke! ?
Oh ja, wir können uns auch daran erinnern…
Das Grundkonzept des Workaways finde ich super und könnte mir das auch gut für mich vorstellen – allerdings eben nur unter der Voraussetzung, dass der lokalen Bevölkerung dadurch keine Arbeitsplätze weggenommen werden. Finde gut und wichtig, dass ihr auf solche Punkte immer wieder hinweist. Panama würde mich als Land auch mal total reizen.
LG
Katharina
Danke!
Wenn du weiter Infos zu Workaway oder Panama brauchen solltest, einfach melden.
Liebe Grüße,
Robert
Guter und vor allem mal objektiver Bericht über Work Away. Wenn ich das richtig gelesen habe, hättet ihr auch eigentlich nicht arbeiten dürfen, weil kein Arbeitsvisum? Das mag manchen kleinlich und als Kavaliersdelikt erscheinen, aber ich kann mir vorstellen, dass die Konsequenzen im schlimmsten Fall für beide Seiten nicht eben gering wären, oder?
Liebe Grüße
Jenny
DANKE!
Genau das ist auch eines der gravierendsten Probleme. Wir würden Workaway retrospektiv auch nicht mehr machen.
Liebe Grüße,
Robert