Das Jahr 2017 neigt sich langsam, aber sicher dem Ende zu. Dies wollen wir zum Anlass nehmen, um einen Blick in die Glaskugel zu werfen und der Frage nachzugehen, welche Volunteering Trends uns im kommenden Jahr erwarten.
Prognosen sind selbstverständlich immer mit Vorsicht zu genießen – relativ sicher erscheint auf jeden Fall, dass die Nachfrage nach Volunteer Reisen weiter zunehmen wird. Manche AnalystInnen sprechen sogar davon, dass Volunteer Reisen im Jahr 2018 zu den „top industry game-changers“ gehören werden. Welche Volunteering Trends sich für das Jahr 2018 konkret abzeichnen, wollen wir im Folgenden skizzieren.
1) Längere Freiwilligeneinsätze
Flexible Freiwilligenarbeit (Einsätze mit einer meist kurzen bis sehr kurzen Aufenthaltsdauer) wird wohl auch nächstes Jahr die am meisten nachgefragte Form des Volunteerings sein. Gespräche mit MitarbeiterInnen von Entsendeorganisationen, aber auch Anfragen unserer LeserInnen lassen allerdings darauf schließen, dass längere Einsätze im Jahr 2018 an Bedeutung gewinnen werden. Die vermehrte Berichterstattung über die möglichen negativen Auswirkungen sehr kurzer Freiwilligeneinsätze und die damit einhergehende Erkenntnis, dass sowohl die Organisationen in den Gastländern (Einarbeitungszeit, Kontinuität, etc.) als auch die Freiwilligen (Arbeitsroutinen, Kennenlernen der Kultur, etc.) von einer längeren Aufenthaltsdauer tendenziell mehr profitieren, dürfte dafür mitverantwortlich sein.
2) Nachbereitung und Alumni-Veranstaltungen
Die zentrale Bedeutung der Vorbereitung sowie der Betreuung vor Ort für einen gelungenen Freiwilligeneinsatz wurde erfreulicherweise in den letzten Jahren von den meisten Entsendeorganisationen erkannt. 2018 wird unserer Einschätzung nach der Fokus vermehrt auf eine fundierte Nachbereitung und auf Alumni-Veranstaltungen gelegt werden. Einerseits soll dadurch für ehemalige Freiwillige ein Raum geschaffen werden, um über ihre Erfahrungen zu reflektieren und andererseits sollen Volunteers dazu motiviert werden, sich über die Einsatzzeit hinaus zu engagieren. Beispiele hierfür wären das Veranstaltungsformat ‚Back Home!-Wochenenden’ der österreichischen Organisation WeltWegWeiser oder die Alumni-Treffen der deutschen Organisation FSJ Kultur.
3) Social Media
Facebook, Instagram, Twitter und Co. wird auch im Jahr 2018 eine zentrale Bedeutung zukommen. Entsendeorganisationen werden Social Media Kanäle noch stärker dafür verwenden, Freiwillige für ihre Anliegen zu gewinnen und über ihre Arbeit zu informieren. Volunteers werden noch intensiver mittels Social Media ihre Einsätze dokumentieren und dadurch, vorausgesetzt sie sind sich ihrer eignen Rolle und der Macht der Bilder bewusst, dazu beitragen, dass in der Heimat ein besseres Verständnis der Lebensrealitäten der Menschen in ihren Gastländern entsteht.
4) Fokus auf Inklusion
Volunteer Reisen galten lange Zeit als eine Reiseform für eher jüngere Menschen. In den letzten Jahren lässt sich diesbezüglich ein Wandel feststellen: Immer mehr ältere Menschen mit fundierter Ausbildung und Berufserfahrung interessieren sich für Freiwilligeneinsätze im Ausland. Auf diese steigende Nachfrage wird auch von den Entsendeorganisationen reagiert. Sowohl privatwirtschaftliche, beispielsweise Rainbow Garden Village als auch NGO-basierte AnbieterInnen wie voluntaris bieten Einsatzmöglichkeiten für Freiwillige, die schon mehr Lebens- und Berufserfahrung mitbringen.
Inklusion beschränkt sich aber nicht nur auf das Alter der Volunteers – auch Menschen mit Einschränkungen sollen die Möglichkeit erhalten, sich im Ausland zu engagieren. In Deutschland wird Inklusion in Volontariatsprogrammen bereits erfolgreich umgesetzt. Die Organisation Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V (bezev) ermöglicht mit ihrem Programm ‚Jetzt einfach machen’ Menschen mit Einschränkungen einen internationalen Freiwilligendienst. In Österreich unterstützt die Organisation WeltWegWeiser Entsendeorganisationen bei der Umsetzung inklusiver Freiwilligendienste und ermöglicht gemeinsam mit KooperationspartnerInnen Einsätze für Menschen mit Einschränkungen.
Inklusive Freiwilligendienste werden weiter an Bedeutung gewinnen und gehören sicher zu den wichtigsten Volunteering Trends 2018.
5) Eintrag im Lebenslauf
Im anglo-amerikanischen Raum, aber auch beispielsweise in China gehört freiwilliges Engagement (im Ausland) fast schon zu einem Must-have im Lebenslauf. Neben der sozialen Komponente wird von Seiten der ArbeitgeberInnen vor allem auf die interkulturellen Erfahrungen Wert gelegt. Diese Entwicklung wird im Jahr 2018 auch in den deutschsprachigen Ländern bedeutender werden.
6) Neue bizarre Ausprägungen
Einige bizarre Voluntourismus Angebote haben wir bereits vor geraumer Zeit in diesem Beitrag diskutiert. Derartige Angebote sind ein Resultat eines Kommerzialisierungsprozesses, der vor allem von privatwirtschaftlichen AnbieterInnen vorangetrieben wird. Auch im Jahr 2018 müssen wir wohl mit weiteren dubiosen Angeboten rechnen. Ein Beispiel in diesem Zusammenhang ist der so genannte Kreuzfahrt-Voluntourismus. Dabei werden bei den Landgängen nicht Sehenswürdigkeiten besucht, sondern man „hilft“ der lokalen Bevölkerung. Einige der großen Kreuzfahrtreedereien haben 2018 derartige Angebote im Programm – ein grober, äußerst unkritischer Überblick über diese groteske Ausprägung des Voluntourismus findet sich hier.
Man darf gespannt sein, was der Tourismusindustrie 2018 sonst noch so einfallen wird…
7) Einsatzbereiche und Tätigkeiten
Man kann wohl davon auszugehen, dass sich im Großen und Ganzen die nachgefragten Einsatzbereiche und Tätigkeiten nicht gravierend ändern werden. Freiwilligenarbeit mit Tieren wird sich auch im Jahr 2018 großer Beliebtheit erfreuen. Auch Projekte im Bildungs- und Sozialbereich werden weiterhin stark nachgefragt werden.
Eine gravierende, sehr begrüßenswerte Änderung im Angebotsportfolio meist privatwirtschaftlicher AnbieterInnen erwartet uns allerdings im Jahr 2018: Die mittlerweile sehr umfangreiche mediale Berichterstattung über die negativen Auswirkungen des so genannten Waisenhaustourismus sowie massive Lobbyingarbeit von NGOs hat dazu geführt, dass Projects Abroad, einer der global größten Voluntourismus AnbieterInnen, mit Ende des Jahres 2017 sämtliche Waisenhausangebote einstellt. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis andere AnbieterInnen diesem Beispiel folgen.
8) Destinationen
Ähnlich wie bei den Tätigkeiten erwarten wir auch bei den Destinationen keine gravierenden Änderungen. Die Hauptdestinationen werden auch 2018 weiterhin vor allem das südliche und östliche Afrika, Südostasien und Teile Lateinamerikas sein.
Wenn man sich die Programme der kommerziellen AnbieterInnen für das Jahr 2018 genauer anschaut, fällt allerdings auf, dass vermehrt Volunteering-Möglichkeiten in Südosteuropa angeboten werden. Vor allem Rumänien wird dabei intensiv beworben.
9) Alternative Angebote
In den letzten Jahren haben sich einige Alternativen zur „klassischen“ Freiwilligenarbeit im Ausland entwickelt. Diese Angebote bleiben zwar dem Grundprinzip der Freiwilligkeit treu, die Verbesserung der Lebensumstände der lokalen Bevölkerung sowie der Fokus auf eine spezifische Partnerorganisation im Gastland spielen dabei aber meist eine untergeordnete Rolle. Ebenso wird auf eine Vor- und Nachbereitung sowie auf Betreuung vor Ort verzichtet. Das wohl bekannteste Beispiel in diesem Zusammenhang ist Workaway, das wir in Panama getestet haben. Ein Bericht über unsere Erfahrungen findet sich hier.
Ende des Jahres 2016 hat der Platzhirsch im Bereich Vermittlung privater Unterkünfte Airbnb damit begonnen, andere touristische Angebote zu vermitteln. Ein Teil des neuen Angebots sind die so genannten ‚Experiences’ (deutsche Version ‚Entdeckungen’), bei denen man sich unter anderem bei unterschiedlichen sozialen Projekten kurzfristig ehrenamtlich engagieren kann.
Wir denken, dass derartige Angebote 2018 weiter ausgebaut werden. Generell werden zeitlich sehr kurze Engagements zu den zentralen Volunteering Trends 2018 gehören.
Lieber Robert,
wie muss man denn das neue AirBnb Angebot einordnen – auch etwas bizarr, oder?
Liebe Grüße
Angela
Liebe Angela,
einiges spricht dafür, dass das Angebot in die Kategorie bizarr fällt. Es wird auch sehr davon abhängen, wie sich die AnbieterInnen verhalten; sprich, welche „Touren“ angeboten werden.
Wir werden das auf jeden Fall weiter beobachten, bei Gelegenheit selber testen und darüber berichten.
Liebe Grüße,
Robert
Danke für diesen umfassenden Beitrag!
Schade, dass die Süd-Nord-Bewegung noch kein Trend ist. Freiwilligenarbeit bleibt ein Privileg des globalen Nordens.
Hallo Laura,
das ist leider wahr. Wir weisen auch in Interviews und Artikeln immer wieder auf dieses Ungleichgewicht hin. In Deutschland hat weltwärts ein Süd-Nord-Programm initiiert – von einem Trend kann natürlich weiterhin keine Rede sein.
Liebe Grüße,
Robert