In diesem Interview stellen wir euch den Verein BRAVEAURORA vor. Wir durften das Team im Rahmen der Fachtagung ‘Volunteering in der Entwicklungszusammenarbeit’ in Linz kennen lernen und bedanken uns herzlich für die Beantwortung unserer Fragen.

 1) Was ist Braveaurora und was genau macht ihr?

braveauroraBRAVEAURORA ist ein Verein, der seit 2008 im Norden Ghanas Entwicklungszusammenarbeit leistet. BRAVEAURORA eröffnet mit seinen Tätigkeiten und Projekten gefährdeten Kindern in Ghana und deren erweiterten Familien Zukunftsperspektiven, mit den Zielen: der Abschaffung von Waisenhäusern, der Re-Integration von Waisenkindern und gefährdeten Kindern in ihre (erweiterten) Familienstrukturen und der nachhaltigen Dorfentwicklung. Durch verschiedene Re-Integrationsprojekte und Projekte zur Wissensvermittlung auf Dorfebene wird Zugang zu umfassenden Bildungsmöglichkeiten und zu neuen, nachhaltigen Einkunftsmöglichkeiten geschaffen. Neben der Hilfe zur Selbsthilfe, hat sich BRAVEAURORA Nachhaltigkeit und Transparenz als oberste Grundsätze auferlegt.

2) Wie finanziert ihr euch?

Wir finanzieren uns aus Spenden, Förderungen (beispielsweise Förderung des Landes OÖ), Preisgeldern und Mitgliedsbeiträgen. BRAVEAURORA ist eine sehr kleine Organisation, die garantiert, dass sämtliche Spenden vor Ort vollständig, nachhaltig und verantwortungsbewusst eingesetzt werden. Gemäß dem strengen Transparenzgrundsatz von BRAVEAURORA sind die Konten für Spenden und Verwaltungskosten strikt getrennt. Alle Spenden kommen 1:1 unserem Projekt in Guabuliga zu Gute. Außerdem sind Spenden an BRAVEAURORA steuerlich absetzbar und das Spendengütesiegel garantiert die nachhaltige Verwendung der Spenden.

3) Was bietet ihr für angehende Volunteer Reisende?

Wir grenzen uns vom sogenannten “Freiwilligentourismus” strikt ab, deswegen sind uns die speziellen Qualifikationen und eine längere Einsatzdauer wichtig. Wir wünschen uns qualifizierte Ehrenamtliche für längere Einsätze – kurzzeitige sog. “Hilfsurlaube” sind hier fehl am Platz. In der Vorbereitung in Österreich werden die angehenden Freiwilligen intensiv begleitet. Ein Volunteers-Booklet mit detaillierten Informationen über Reisevorbereitungen, Projekte von BRAVEAURORA und Do‘s and Don‘ts in Ghana wurde entwickelt, welches den Freiwilligen zur Verfügung gestellt wird. Natürlich wird das Booklet auch regelmäßig aktualisiert und persönlich durchbesprochen.

Zusätzlich zu einem verpflichtenden eintägigen Einschulungs-Workshop in Linz, sind diverse persönliche Treffen vor der Reise möglich. Eine Vernetzung zwischen neuen und alten Volunteers findet ebenfalls statt, um den Austausch von Freiwilligen untereinander zu fördern. In Ghana stellt BRAVEAURORA eine Unterkunft im Volunteer Compound (Kosten 1GhC / ca. 0,30€ pro Tag für Unterkunft, Strom etc.) zur Verfügung, Vermittlungsgebühren gibt es keine, die Kosten für den Aufenthalt sind von jedem selbst zu tragen (Flug, Impfungen, Visum etc.).

volunteer_unterkunftAls qualifizierte/r Ehrenamtliche/r arbeitet man intensiv mit dem Projektleiter vor Ort, dem lokalen Direktor Baba Seidu, anderen Ehrenamtlichen oder PraktikantInnen, dem Chief von Guabuliga, der die höchste Person im Dorf darstellt, und mit den 10 lokalen MitarbeiterInnen von BRAVEAURORA zusammen.

Damit man sich bestmöglich mit seinen Stärken und Fähigkeiten ins Projekt einbringen kann, suchen wir gemeinsam mit jedem Ehrenamtlichen bereits in Österreich ein Haupt-Aufgabengebiet für den Einsatz.

Wichtig bei der Arbeit mit Freiwilligen finden wir:

  • Seriöse Auswahl und intensive Vorbereitung der Freiwilligen sowie kontinuierliche Betreuung vor Ort
  • Kontinuierliche Begleitung und intensiver Dialog mit den lokalen aufnehmenden Organisationen. Sie stehen im Mittelpunkt der Projektplanung und -implementierung
  • Nachbereitung und Nutzung der Erfahrungen der Freiwilligen für und in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit
  • Gegenseitiges Lernen und interkultureller Austausch als wichtiges Ziel des Reisens und der Freiwilligenarbeit
  • Keine Kurzzeitaufenthalte in Kinderheimen (ständiger Wechsel der Betreuungspersonen, Beziehungsabbrüche)
  • Kinderschutz und die Achtung der Rechte von Kindern als integraler Bestandteil aller Projekte, bei denen Reisende mit Kindern zusammen kommen

4) Wie unterstützt ihr die Menschen in den Gastländern?

projekt_braveauroraBRAVEAURORA unterstützt aktuell das Dorf Guabuliga im Norden von Ghana mit verschiedenen Dorfentwicklungs-Projekten. Das Ausgangsprojekt war die Reintegration der Waisenkinder des Dorfes in ihre bestehenden Familiengefüge. BRAVEAURORA will nicht nur Waisenkindern, sondern allen Kindern in Guabuliga Zukunftsperspektiven eröffnen. So werden verschiedene Projekte in den Bereichen Bildung, Gesundheit, soziale Infrastruktur, Armutsbekämpfung und Umwelt angeboten. Die Gemeinwesenarbeit, die Ausweitung der Projekte auf Dorfebene und umfassende Aufklärungs- und Präventionsprojekte für die mehr als 2.000 Einwohner von Guabuliga sind nun in den nächsten Jahren der Mittelpunkt der Arbeit von BRAVEAURORA, denn wir wollen keine Spuren hinterlassen, sondern das Projekt schrittweise an die Bevölkerung übergeben. Denn die Menschen vor Ort sind DIE EXPERTEN für ihr Leben!

Durch Know-How-Transfer (z.B. das Training in nachhaltigen und biologischen Landwirtschafts-methoden), Aufklärungsarbeit und Frauen- Empowerment soll die Bevölkerung insgesamt gestärkt werden, um den Leitgedanken von BRAVEAURORA „Hilfe zur Selbsthilfe“ auch in der Praxis langfristig erfolgreich umzusetzen. Die Unterstützung reicht vom Bildungsbereich (z.B. zusätzliche Nachmittagsbetreuung für die älteren Schüler, die bald weiterführende Schulen besuchen werden), über die Gesundheitsversorgung (z.B. Präventionsprojekte, Aufklärung), bis hin zu zusätzlichen Benefits für die Familien, die von BRAVEAURORA zusammengeführt wurden (z.B. monatliche Essensunterstützung, Schulgeld, Krankenversicherung). Darüber hinaus stellen das Mikrokreditprojekt, sowie die Trainings im Trainingszentrum ei nen der Schwerpunkte dar. Die TeilnehmerInnen in diesen Programmen können ein eigenes Business aufbauen, um in Zukunft selbst Einkommen generieren zu können. Dadurch wird keine Abhängigkeit von BRAVEAURORA geschaffen und die Nachhaltigkeit der Entwicklungszusammenarbeit wird gewährleistet.

5) Wie steht ihr zum viel diskutierten Phänomen des Waisenhaustourismus?

BRAVEAURORA wird regelmäßig durch qualifizierte Ehrenamtliche bei der Projektarbeit vor Ort unterstützt, jedoch werden diese genau ausgewählt. Sie müssen eine benötigte Qualifikation mitbringen und bezahlen keinerlei Vermittlungsgebühren. Der interkulturelle Austausch steht hier im Vordergrund und es werden durch Freiwillige keine lokalen MitarbeiterInnen ersetzt oder dergleichen. Dieses nachhaltige Konzept der Freiwilligenarbeit ist für die Projekte in Ghana überaus wertvoll, jedoch musste BRAVEAURORA in den letzten Jahren feststellen, dass sich in diesem Bereich ein neuer und sehr kritisch zu sehender Wirtschaftszweig des „Freiwilligentourismus“ gebildet hat. Ein Tourismusangebot für unqualifizierte Freiwillige wurde kreiert, dass die Annehmlichkeiten des Reisens mit dem guten Gefühl des Helfens verbindet und fatale Folgen in den Entwicklungsländern nach sich zieht!

braveaurora3BRAVEAURORA tritt klar gegen diesen Trend auf und leistet seit dem Jahr 2014 aktive Sensibilisierungsarbeit durch Workshops mit jungen Menschen, Vernetzung mit diversen Organisationen und Aufklärungsarbeit in Österreich und Ghana gegen dieses boomende Geschäft mit Freiwilligen – das besonders in Verbindung mit Waisenkindern der Verkaufsschlager ist!

Unsere Fachtagung mit dem Titel “Wer hilft hier wem? Volunteering in der Entwicklungszusammenarbeit: Trends, Gefahren, Potenziale.” am 19. Juni 2015 im Ursulinenhof in Linz war nur eine der Aktionen, die wir zur Aufklärung in Österreich gestartet haben. Denn Freiwilligenarbeit gewinnt weiterhin an Bedeutung, die Nachfrage nach sozialen Einsätzen in Entwicklungsländern steigt unter jungen Leuten auch in Österreich rasant an. Dieser neue Trend birgt Potenzial, doch ebenso enorme Gefahren. In dieser Fachtagung wurde das brandaktuelle Thema des Freiwilligentourismus, ebenso wie die Themen nachhaltiger Freiwilligeneinsätze, Kinderschutz und Freiwilligenarbeit, aber auch Freiwilligenarbeit und Professionalisierung im Vergleich besprochen und in Workshops mit Experten intensiver herausgearbeitet. Das Besondere an dieser Tagung war, dass Professionisten von renommierten Organisationen ebenso anwesend waren, wie junge und interessierte Menschen, die einen Freiwilligeneinsatz planen oder gerade hinter sich haben. Das Ziel verschieden Gruppen zu erreichen ist uns somit wirklich gelungen!

In Ghana haben wir das Young Ambassadors Program (Botschafter der Reintegration) ins Leben gerufen.
young_ambassadorDieses Projekt wurde Anfang 2014 von den BRAVEAURORA – Sozialarbeiterinnen konzipiert und verfolgt die Peer-Education-Strategie, in der speziell geschulte Jugendliche – nämlich ehemalige Waisenkinder selbst, zu Multiplikatoren (auch Peers genannt) ausgebildet werden, um andere Waisenkinder und deren erweitere Familien in benachbarten Dörfern Guabuligas hinsichtlich des Themas Reintegration zu informieren.

Die BotschafterInnen berichten aus eigener Erfahrung, wie negativ Waisenhäuser eigentlich für Kinder sind und welche Vorteile es hat, in einem Familiengefüge aufzuwachsen. Dabei wird der Multiplikatoreneffekt angestrebt, wonach nicht nur die geschulten Peers die Gruppe informieren, sondern auch die dadurch informierten Mitglieder der Gruppe wiederum in ihrem jeweiligen Umfeld dieses Wissen weiter geben. In diesem Projekt beeinflussen die BotschafterInnen der Reintegration andere Gleichaltrige sinnvoll und klären über die Vorteile des Aufwachsens in einem Familiengefüge auf.  Neben der Sensibilisierung von Gleichaltrigen ist es auch ein Ziel der BotschafterInnen, durch diverse Medien, insbesondere durch Radiostationen in Nordghana, einen Diskussionsprozess anzustoßen, der eine mögliche Einstellungsveränderung in der Bevölkerung hinsichtlich des Aufwachsens in Waisenhäusern vorantreibt.

6) Wie zielführend erachtet ihr kurze Volunteer Aufenthalte unter 4 Wochen?

Kurzzeitaufenthalte für Volunteers erachten wir als nicht zielführend. Wenn man daran denkt, wie lange es dauert, sich in einer neuen Arbeitsstelle einzugewöhnen. Dazu kommen aber in einem anderen Land eine andere Kultur, andere Bräuche, ein anderes Klima, andere Lebensweisen und vieles mehr hinzu.

braveauroraDie Ausnahme bilden an dieser Stelle unsere externen Experten. Diese sind Personen, welche ein breites und tiefes Wissen in einem der relevanten Projektbereiche vorweisen und auch mit anderen Kulturen sehr gut vertraut sind. Die Experten werden bereits in Österreich umfassend und projektbezogen eingeschult. Vielleicht noch ein Beispiel, um sich das Ganze noch besser vorstellen zu können: Im Februar war eine externe Expertin bei uns vor Ort in Guabuliga, welche drei Wochen lang unsere zwei Sozialarbeiterinnen im Bereich der integrativen Atem- und Körperarbeit weiterbilden konnte. Diese Weiterbildung fanden unserer Sozialarbeiterinnen sehr interessant und abwechslungsreich – einiges findet bei ihnen bereits Anwendung in ihrer täglichen Arbeit.

7) Was bedeutet für euch ‘tieferes Reisen?

Für uns bedeutet tieferes Reisen einerseits, interkulturelle Kompetenz in vielerlei Hinsicht zu erwerben, sich aber andererseits auch bereits gut im Vorhinein darüber zu informieren, welche kulturellen Unterschiede auf einen zukommen werden. Im Sinne des Sprichwortes „Der Fisch weiß nicht, dass er nass ist.“, sollte man sich bewusst auf eine andere, vielfältige Kultur einlassen und bewusst in andere Gewässer eintauchen. In diesem Zusammenhang mit tieferen Berührungspunkten einer anderen Kultur wird man auch des Öfteren zu dem Punkt kommen, wo man die eigene Sozialisierung reflektiert.

Tieferes Reisen bedeutet für uns auch ein gegenseitiges Lernen und einen interkulturellen Austausch zu ermöglichen und zu genießen. Auch, zu erkennen, dass in benachteiligten Ländern ungeheure Schätze schlummern. Menschen, die unter schwierigsten Bedingungen Ungeheures leisten, Naturjuwelen an den verschiedensten Orten der Welt, fremde Traditionen und damit verbunden auch Kulturschätze, tiefe Einblicke in eine Gesellschaft hinter den Hochglanzprospekten, all das wären für uns Ziele, die „tieferes“ Reisen ausmachen.

8) Was habt ihr in Zukunft vor?

braveaurora4Wir möchten unsere Projekte vor Ort duplizierbar machen. Das heißt, dass wir in einigen Jahren, wenn unsere Projekte in Guabuliga erfolgreich abgeschlossen und an die Bevölkerung übergeben wurden, einige dieser Projekte auf andere Dörfer übertragbar machen können. In den umliegenden Dörfern herrschen oft gleiche bzw. sehr ähnliche Probleme, genau dort wollen wir ansetzen. Wir sind auch beispielsweise mit UNICEF in Ghana bereits in Kontakt und möchten unsere Kooperationen vor Ort stärken, um noch mehr in diesem Land erreichen zu können. In Österreich wollen wir uns aktiv mit Advocacy-Arbeit beschäftigen, also beispielsweise über das Thema des Freiwilligentourismus zu sensibilisieren und vieles mehr. Dazu werden wir auch Kooperationen in Österreich aufbauen – wir freuen uns sehr, dass wir DeeperTravel seit einigen Wochen dazuzählen dürfen!

Ansonsten liegt in Österreich der Fokus noch auf unserer Professionalisierung des Vereins. Wir wollen unseren Verein stark aufbauen, durch die Einstellung einer Geschäftsführung soll uns dies in Zukunft möglich sein.

Weitere Infos auf: www.braveaurora.com

Um einen guten Überblick zu bekommen, hier eine Grafik mit den verschiedenen Projekte anhand unserer fünf Säulen.

Hier findet ihr unseren aktuellen Tätigkeitsbericht mit all unseren Projekten in den Bereichen: Reintegration, Armutsbekämpfung, soziale Infrastruktur, Umwelt und Bildung zum Download.

Fotos © BRAVEAURORA

 

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