Die Drakensberge: Bergsteigen im südlichen Afrika

(von Eva und Robert)

Um dem kalten Winter in Europa zu entkommen, machten wir uns im Februar 2012 mit unseren Rucksäcken auf den Weg nach Johannesburg in Südafrika. Unser Ziel war, ohne eigenes Fahrzeug mit lokalen Transportmitteln und zu Fuß die Drakensberge von Norden nach Süden zu erkunden.

Südafrika ruft oftmals ein Bild von Steppenlandschaften, Nationalparks und wilden Tieren hervor, doch dass dort das höchste Gebirge des südlichen Afrikas liegt, ist eher weniger bekannt. Die Drakensberge sind bis zu 3.482m hoch und werden von der lokalen Bevölkerung, den Zulus, ‚uKhahlamba’ genannt, was übersetzt „die Wand der aufgestellten Speere“ bedeutet. Der höchste Punkt der Drakensberge liegt im Königreich Lesotho, seit Ende der 1990er Jahre sind Teile der Region geschützter Nationalpark und seit 2000 ist die Region Weltkultur- und Weltnaturerbe der UNESCO. Über 30.000, bis zu 2.000 Jahre alte Höhlenmalereien der Volksgruppe der San wurden in der Region entdeckt und einige davon können auch besichtigt werden. Die Gebirgskette erstreckt sich über 1000 Kilometer von Norden nach Süden, die nördlichen Drakensberge beheimaten die steile Felswand ‚Amphitheater‘ im Royal-Natal Nationalpark, die zentralen Drakensberge sind ein beliebtes Ziel für Wanderungen und touristisch gut erschlossen, in den südlichen Drakensbergen befindet sich der höchste Gebirgspass Südafrikas, der Sani-Pass (2.874m), der zugleich die Landesgrenze zu Lesotho bildet.

Die nördlichen Drakensberge – saftige grüne Hügellandschaften und steile Felswände

Drakensberge Amphitheater

„Give me your fancy climbing gear and go hiking!“ Die erboste Managerin der Amphitheater Backpackers Lodge am Rande des Royal Natal Nationalparks war sichtlich verärgert, weil wir keine ihrer All-Inclusive Touren gebucht hatten und mit 15 Kilo auf dem Rücken alleine in Richtung Nationalpark aufgebrochen waren. Sie dachte, wir hätten vor, die rund 8 Kilometer lange und 1000 Meter hohe Felswand des ‚Amphitheaters’ zu erklettern, der Sentinel Peak, unser eigentliches Ziel, war in ihren Augen vom Haupteingang des Nationalparks zu Fuß unerreichbar. Zum Glück durften wir die beiden 70m Halbseile, etliche Friends und Klemmkeile, unsere Gurte und unsere Helme behalten und erreichten per Autostopp am späten Vormittag das Visitor-Service-Center des Royal Natal Nationalparks. Dort erhielten wir eine Wanderkarte und Informationen über Übernachtungsmöglichkeiten, und so konnten wir mit der Durchquerung des Parks beginnen. Auf gut beschilderten Wegen ging es am Fluss entlang, immer leicht ansteigend in Richtung Sentinel Peak, auf fast 2.000m Höhe im semi-tropischen Wald durch unwirklich grüne Wiesen, übersät mit Bouldern aus Balsaltgestein. Nach ungefähr vier Stunden waren wir wieder fast zurück in der Zivilisation, das Wisieshoek Mountain Resort hat Verkehrsanbindung, auf der „Straße“, die nur für Allradfahrzeuge oder Wanderer geeignet ist, gelangt man schließlich zum Fuße des Sentinel Peaks, wo sich ein kleiner Parkplatz und eine rustikale unbewirtschaftete Übernachtungsmöglichkeit auf 2.500m befinden. Dort durften wir schließlich zwei Nächte und einen ganzen Tag ausharren und auf besseres Wetter hoffen. Dann begrüßte uns ein strahlender Sonnenaufgang und der Aufstieg zum Sentinel Peak konnte beginnen. Der Hauptpfad führt fast direkt am Einstieg vorbei und uns war sofort klar, dass die Kletterei noch etwas warten musste, da der Felsen von den 36-stündigen Niederschlägen noch recht nass war. Wir folgten dem sogenannten ‚Chain-Ladder-Path‘, der diesen Namen den beiden fast 100m hohen Kettenleitern verdankt, bis auf das Plateau neben dem Sentinel Peak. Auf der Hochebene folgten wir, begleitet von Lämmergeiern dem Fluss, bis dieser auf der anderen Seite als imposanter Tugela Wasserfall, angeblich der zweithöchste Wasserfall der Welt mit 947 Metern Höhe, entlang der Kliffs des Amphitheaters in die Tiefe stürzt. Auf dem Rückweg statteten wir dem Sentinel noch einen Besuch ab, mussten aber schon die erste Seillänge abbrechen, da das Wasser immer noch von allen Richtungen herunterströmte. Mit wenigstens einem Gipfel in der Tasche und der Genugtuung, dass wir unsere Ausrüstung nicht umsonst die ganze Strecke getragen hatten, da wir uns damit neben den Kettenleitern abseilen konnten, traten wir den Rückweg an.

Die zentralen Drakensberge – Gipfelglück mit bitterem Nachgeschmack

Drakensberge Cathedral PeakZwei Tage später brachen wir von der Inkosana Lodge im malerischen ‚Champagne Valley’ zu unserem zweiten Ziel, dem Cathedral Peak in der mittleren Region der Drakensberge, auch Central Berg genannt, auf. Ed, der Eigentümer der Lodge ist ein ehemaliger Bergsteiger und kennt die Region wie seine Westentasche, er hat Wander- und Kletterführer verfasst und stand uns mit hilfreichen Tipps zur Seite. Der Cathedral Peak mit seinen 3.005m ist das Herzstück des Cathedral Peak Mountain Reserve. Den Ausgangspunkt für Wanderungen und Bergtouren bildet das auf 1.470m gelegene Cathedral Peak Hotel. Wir starteten unsere Tour am frühen Nachmittag vom Parkplatz des Hotels. Über nur schwach ansteigendes Gelände und kaum begangene Pfade wanderten wir durch eine bizarre Landschaft, aus der die Felsen wie Speere in die Höhe ragten, in weiter Ferne der Cathedral Peak und erreichten schließlich kurz vor Sonnenuntergang einen langgezogenen Grasrücken, der uns ideal für ein Biwak erschien. Das Wetter hatte sich leider im Laufe des Nachmittages eingetrübt und über uns türmten sich massive Gewitterwolken auf. Nach einem rasch zubereiteten Abendessen verkrochen wir uns mit einem mulmigen Gefühl in unseren Biwaksack. Gegen Mitternacht wurden wir wider Erwarten nicht von Blitz und Donner geweckt, sondern von unheimlichen, für uns nicht zuordenbaren Brülllauten. Bei Tagesanbruch stellte sich heraus, dass die Quelle des mysteriösen Geschreis eine Gruppe Paviane war, die ihr Nachtlager rund um das unsere errichtet hatte. Bei wieder strahlendem Wetter setzten wir den Aufstieg fort und erreichten nach gut drei Stunden die erste Schlüsselstelle, den sogenannten ‚Bugger Gully’ (eine noch recht harmlose Übersetzung wäre ‚Mist-Rinne’). Nach einem einstündigen, sehr schweißtreibendem Anstieg erreichten wir das Ende der Rinne und somit den Einstieg zur ‚Original Route’, die uns, so wie die Erstbesteiger 1917, auf den Gipfel führen sollte. Die technischen Schwierigkeiten dieser Route bewegen sich im dritten Schwierigkeitsgrad (nach UIAA), wobei wir ähnlich wie am Sentinel Peak mit dem nassen Fels zu kämpfen hatten. Darüber hinaus sind in den Drakensbergen die Routen „naturbelassen“, d.h. man findet keine Bohrhaken oder andere Markierungen, die die Orientierung erleichtern, vor. Nach gut zweistündiger Kletterei erreichten wir den, leider in dicken Nebel gehüllten Gipfel des Cathedral Peak. Nach dem obligatorischen, aus Tirol mitgebrachtem Gipflschnapsl und einer kleinen Stärkung seilten wir uns über die Ostwand ab und setzten anschließend den Abstieg über die Aufstiegsroute fort. Circa 5 Kilometer vor dem Cathedral Peak Hotel entschieden wir uns für ein weiteres Biwak in der ‚Sherman’s Cave’, wie die Höhle genannt wird. Mit Spaghetti, einem Bad in einer Gumpe und einem atemberaubenden Ausblick über die mittleren Drakensberge ließen wir die Tour erschöpft und zufrieden ausklingen. Am nächsten Tag wollten wir, wie gewohnt, per Autostopp zurück zur Unterkunft gelangen, da diese Art des Reisen eine ausgezeichnete Möglichkeit darstellt, mit der einheimischen Bevölkerung ins Gespräch zu kommen. An diesem Tag fuhren allerdings nur Polizeibusse durch das Tal, und nach etlichen Kilometern Fußmarsch nahm uns schließlich ein Einsatzfahrzeug mit. Die Beamten erklärten uns, dass aufgrund von Ausschreitungen in der Gegend die Straßen gesperrt wurden. Die ländliche Bevölkerung äußerte ihren Unmut über gesellschaftliche Ungleichheiten, Arbeitslosigkeit und Armut und forderte die Regierung mit brennenden Autoreifen auf, sich mit den Missständen zu befassen. Die Polizeibeamten zeigten wenig Verständnis dafür, und die Gespräche hinterließen einen bitteren Nachgeschmack und den Eindruck, dass Rassismus und die tiefe Zerrissenheit der südafrikanischen Gesellschaft nicht von heute auf morgen vergehen werden.

Die südlichen Drakensberge – der Sani Pass

Unsere Reise durch die Drakensberge wollten wir mit der Besteigung des höchsten Berges der Region abschließen. Der ‚Thabana Ntlenyana’ ist mit 3.482 Meter nicht nur die höchste Erhebung der Drakensberge, sondern bildet auch den höchsten Punkt des Königreichs Lesotho. Darüber hinaus wird er auch oft fälschlicherweise als höchster Berg Afrikas südlich des Kilimanjaro angeführt (der Mount Meru, 4.562 m in Tansania liegt noch zwischen den Drakenbergen und dem Kilimanjaro). Als Ausgangspunkt für diese Tour dient der auf 2.474m in den südlichen Drakensbergen gelegene Sani-Pass, welcher nur mit dem lokalen 4-Rad getriebenen Minibus, eigenem Jeep oder zu Fuß erreichbar ist. Nach einer abenteuerlichen Fahrt mit 20 mitreisenden LesotherInnen und deren riesigen Taschen mit Einkäufen aus Südafrika, erreichten wir die Passhöhe. Von dort wollten wir die rund 13 Kilometer bis zum Gipfel in Angriff nehmen. Leider machte uns das Wetter erneut einen Strich durch die Rechnung, dicke Nebelschwaden und starker Regen zwangen uns bereits nach kurzer Zeit zur Umkehr. Das höchstgelegene Pub Afrikas mit dem dazugehörigen Sani Top Chalet lud zu einem kalten Bier und interessanten Gesprächen mit dem Eigentümer und den Gästen des Pubs ein. Wir erfuhren, dass der Nebel sich zu dieser Jahreszeit häufig über die Passhöhe legt und dass die Besteigung am ehesten in den Wintermonaten möglich ist. Das Sani-Top Pub ist aber auf jeden Fall einen Besuch wert: das Schihütten-Flair und die Brettljause sind im südlichen Afrika einzigartig.

Infos:

  • Flug: nach Johannesburg (ab 600 Euro)
  • Transport vor Ort: Bazbus, Autovermietung, lokaler Transport (Minibusse)
  • Literatur: Stefan Loose Travel Handbuch Südafrika
  • Serpent Spires: South African Climbers Profile the Drakensberg’s Finest Peaks
  • Auskünfte, Kartenmaterial: Inkosana Lodge and Trekking, Edmund Salomons; Visitor Service Center Royal Natal National Park
  • Reisezeiten: Winter (Mai-August): stabiles aber kaltes Wetter; größere Schneemengen in den höheren Regionen sind nicht ausgeschlossen; kurze Tage / Sommer (September-April): warm und instabiles Wetter; höhere Gewitterwahrscheinlichkeit; längere Tage. Die Drakensberge können prinzipiell das ganze Jahr über bereist werden, im südafrikanischen Winter kann man sogar Eisklettern.
  • Anforderungen: Von kurzen Wanderungen bis zu mehrtägigen Klettertouren ist alles möglich und dementsprechend variieren die Schwierigkeitsgrade (Klettertouren bis in den 8. Schwierigkeitsgrad nach UIAA und noch viele unbegangene Routen). Die Routen sind nicht eingerichtet (keine Bohrhaken!) und in den Parks gibt es kaum Hütten (vollständige Camping- oder Biwakausrüstung und Verpflegung bei mehrtägigen Touren erforderlich). Trägerdienste sind in der Region eher unüblich.
  • Sicherheit: Auf giftige Schlangen achten! (z.B. Puffotter, Kobra); Verpflichtende Registrierung am Parkeingang; Bergrettung: Mountain Club of South Africa Rescue Team (Tel.: 10177)

* Dieser Artikel erschien bereits im Magazin Bergauf (2013)

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