*Ein Gastbeitrag von Kerstin Dohnal (ECPAT Österreich)
Endlich! Der Frühling ist da und der nächste Urlaub steht damit quasi auch schon vor der Tür. Wohin soll die Reise denn heuer gehen? Was sagen die Trends? Sonne, Strand und Meer? Ein aktiver Wanderurlaub in den Bergen? Oder doch lieber ein Yoga-Retreat in grüner Abgeschiedenheit? Obwohl, eigentlich wollte ich doch immer schon Projekterfahrung im Ausland sammeln. Da wäre ein Freiwilligeneinsatz in einer exotischen Destination mit anschließendem Badeurlaub doch genau das richtige, oder?
So edel die Motivation für den Freiwilligeneinsatz im Urlaub auch sein mag, so gering ist oft das Bewusstsein der Volontär_innen gegenüber den negativen Auswirkungen, die der Freiwilligeneinsatz für Zwischendurch auf die Menschen im jeweiligen Projekt – insbesondere auf die Kinder – haben kann. Überhaupt ist es immer wieder erstaunlich, wie sehr das eurozentristische Helfersyndrom immer noch in den Köpfen der Menschen verankert ist, und wie verzerrt die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz oft ist. Herkunft ist eben nicht gleich Kompetenz.
Viele Angebote suggerieren uns das Potenzial helfen zu können. In Wirklichkeit nehmen wir aber weit mehr von Freiwilligeneinsätzen mit, als wir jemals geben können. Daher sollte ein Freiwilligeneinsatz immer gut geplant sein, damit alle Beteiligte davon profitieren können.
Was kann ich also tun, wenn ich mich in meinem Urlaub sinnvoll in ein Projekt einbringen möchte?
Zunächst einmal sollte man sich die Frage stellen, welche Fähigkeiten und Ressourcen man selbst einbringen kann, und sich dann ein konkretes Projekt gezielt aussuchen. Dabei ist es wichtig, den Anbietern direkt und ganz konkret Fragen zu stellen. Denn die Unternehmen sind gefordert bei der Auswahl ihrer Projekte darauf zu achten, dass Kinderschutz-Standards wie The Code umgesetzt werden. Das hilft den Unternehmen aber auch den Freiwilligen dabei, gute von weniger guten Projekten zu unterscheiden.
Organisationen wie ECPAT und Tourism Watch arbeiten daran, dass Unternehmen und Informationsstellen die notwendigen Daten und Informationen zur Verfügung haben sowie über ein entsprechendes Problembewusstsein verfügen, um umfassend und konkret über Themen wie Kinderschutz informieren und aufklären zu können.
Bewusstsein zu schaffen für die Wichtigkeit des Kinderschutzes im Voluntourismus und die Gefahren, denen Kinder in diesem Zusammenhang ausgesetzt sind, war auch das Ziel der Podiumsdiskussion auf der diesjährigen Internationalen Tourismusbörse ITB im März in Berlin. Unter dem Titel „Volontourismus – Wie lassen sich Kinder in touristischen Zielgebieten besser schützen?“ diskutierten internationale Expert_innen zum Thema. Dabei wurde deutlich, dass Reisende ebenso wie Veranstalter beste Absichten haben und bemüht sind, verantwortungsvoll zu handeln. Das zeigte auch das Interesse an den von ECPAT Deutschland koordinierten Veranstaltungen zum Thema Kinderschutz.
Österreich zählt mit über 40 Prozent Freiwilligen zu den europäischen Spitzenreitern. Nach Angaben des Österreichischen Sozialministeriums sind rund 46% der österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren in irgendeiner Form freiwillig tätig. Davon sind rund 49 % Männer und rund 42 % Frauen. Alleine damit hat Österreich großes Potential im Bereich der Freiwilligenarbeit.
Grundsätzlich muss klar gesagt werden, dass Freiwilligeneinsätze im Nord-Südkontext eine Möglichkeit sind, zum Verständnis zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen oder interkulturellem Lernen beizutragen. Die Idee, dass Themen, die man aus den Medien oder Kampagnen von NGOs kennt, selbst erlebbar werden und somit dazu beitragen, dass man die Situation der Menschen vor Ort besser versteht, ist grundsätzlich zu begrüßen. Zudem können Freiwilligeneinsätze zum globalen Verständnis beitragen, Solidarität fördern und für ehrenamtliches Engagement über den Einsatz hinaus fördern. Allerdings werden keineswegs alle Freiwilligeneinsätze diesen Ansprüchen gerecht. Unsere Erfahrung zeigt, dass bei der Einhaltung von Standards, die Wahrscheinlichkeit höher ist, diesen Ansprüchen gerecht zu werden.
Daher freuen wir uns bei ECPAT Österreich über die Initiative von Jugend Eine Welt und der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, aus der Projekte entstanden sind, welche die Orientierung hinsichtlich der Auswahl der geeigneten Programme sowie insbesondere die damit verbundenen Qualitätsstandards erleichtern sollen.
Im Rahmen eines von der österreichischen Agentur für Entwicklungszusammenarbeit Austrian Development Agency geförderten ECPAT-Projektes ‘Kinderschutz im Reisegepäck? – Kinderschutzstandards für Freiwilligeneinsätze im Ausland’, ist es in den letzten beiden Jahren gelungen, Bewusstsein und Sensibilität für Kinderschutz im nicht kommerziellen Segment der Freiwilligeneinsätze in Österreich zu schaffen.
Darüber hinaus wurde ein Trainingshandbuch zur Thematisierung von Kinderrechten und Kinderschutz in der Vorbereitung von Freiwilligen entwickelt das Orientierung bietet und die Vorbereitung wesentlich erleichtert.
Aufbauend auf aktuellen Analysen und Ergebnissen wurden nun für ein Folgeprojekt Projekt im kommerziellen Sektor österreichische wie auch deutsche, in Österreich operierende Anbieter von Freiwilligenangeboten ausgewählt, die dem Kinderschutzkodex beitreten sollen. Es gibt nämlich durchaus Anbieter, die gerne auf Qualität setzen möchten, aber bislang noch nicht das geeignete Tool zur Verfügung hatten. Voluntourismus-Angebote werden auch von den gängigen Nachhaltigkeitszertifizierungen derzeit noch nicht erfasst. Darum ist der Kinderschutzkodex besonders interessant für diese Anbieter – natürlich abgesehen davon, dass auch immer mehr Freiwillige die Projekte für die sie arbeiten möchten und deren Anbieter gezielt aussuchen.
Eine spannende, neue Entwicklung gibt es auch beim Internationalen Kinderschutzkodex: Ab 2018 müssen alle Reiseveranstalter, die Freiwilligen-Angebote inkludieren, eine „Voluntourismus-Policy“ annehmen und umsetzen. Jene Anbieter, die bereits Schritte Richtung Qualitätsstandards gesetzt haben, werden wir als erstes ansprechen, um sie als Vorbilder gewinnen zu können.
Die Impulsvorträge von Antje Monshausen (Geschäftsführerin von Tourism Watch, Brot für die Welt) und Anita Dodds (Menschenrechtskonsulentin für Südostasien) machten bei der Prodiumsdiskussion auf der ITB mit klaren Fakten, die das Publikum spürbar bewegten, die Dringlichkeit von Kinderschutz im Tourismus deutlich. Klar wurde dabei allerdings auch, dass oft noch Orientierungslosigkeit herrscht, wie man sich dem Thema der sexuellen Ausbeutung von Kindern im Tourismus annähern kann und soll. Es wird also auch weiterhin ein essenzieller Teil der Arbeit von ECPAT sein, Aufklärungsarbeit an allen Fronten zu leisten, sowie Vorurteile und Scham abzubauen. Kinderschutzrichtlinien sind nämlich keineswegs als Instrument zur Verurteilung von Betrieben gedacht, sondern ganz im Gegenteil, als Unterstützung auf dem Weg zu verantwortungsvollem Handeln auf allen Ebenen. Wir freuen uns darauf möglichst viele dabei begleiten zu dürfen.
Die ganze Diskussion der ITB gibt es hier zum Nachsehen: https://youtu.be/cq_1sGZ_hLo
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