Ein Facebook Post von unseren KollegInnen von Responsible Volunteering hat letzte Woche mein Interesse geweckt: Die Vermittlungsplattform GoAbroad hat ihre bestbewerteten Organisationen für Freiwilligenarbeit im Ausland veröffentlicht.
Die Top 3 sind demnach:
- African Impact
- International Volunteer HQ
- Frontier
Diese Reihung hat mich aufgrund von zahlreichen, bekannten Missständen bei diesen Organisationen aufhorchen lassen. Im Folgenden möchte ich die gravierendsten Aspekte, die gegen eine Vermittlung durch diese Unternehmen sprechen, zusammenfassen.
African Impact
Schaut man sich die angebotenen Volunteering-Möglichkeiten von African Impact an, wird schnell ein Fokus auf Freiwilligenarbeit mit Tieren ersichtlich. Dabei geht es in erster Linie um Zuchtprogramme und um eine Streichelzoo ähnliche Betreuung von großen Wildkatzen und Affen. Warum derartige Freiwilligeneinsätze generell problematisch sind, haben wir hier erklärt. Viel schwerer wiegt in diesem Fall aber der Umstand, dass für diese Tätigkeiten keine einschlägige Ausbildung der Freiwilligen vorausgesetzt wird. Jede und jeder kann mit Löwen und Geparden „kuscheln“.
Selbiges gilt im Übrigen für alle von African Impact angebotenen Einsatzmöglichkeiten: Von Unterrichten an Schulen, über Projekte im Gesundheitsbereich bis zu hin zur Betreuung von Waisen können unqualifizierte „HelferInnen“ nur schon aufgrund ihrer Anwesenheit die Welt retten. Mittlerweile verzichten ja erfreulicherweise mehr und mehr Organisationen auf Waisenhausangebote – ein Trend, der bei African Impact offensichtlich noch nicht angekommen ist. Bereits in zwei Wochen können Freiwillige das Leben von Waisen fundamental verbessern. Das Wording entspricht dabei voll und ganz dem klischeehaften, fehlgeleiteten Angebot:
„Living by the beach and surrounded by Africa’s most magnificent wildlife, a life-changing experience in rural Zululand awaits you as you educate and support orphaned and needy children and families in an underprivileged remote village in South Africa. Working directly with the Chiefs of the village and the families living in poverty, African Impact and volunteers help support the young children and contribute to bigger and brighter futures for them!“ (Quelle: Website von African Impact)
Natürlich gibt es eine derartige „life-changing experience“ nicht umsonst. Für den Mindestaufenthalt von zwei Wochen werden 1.500 US-Dollar (ohne Flug und Versicherung) fällig. Ein Klacks, wenn man an die breite Zukunft und die lachenden und vor allem dankbaren Kinderaugen denkt…
Auf ein Vorbereitungsseminar im Heimatland wird zu Gunsten eines Skype-Gesprächs bzw. Telefonats und einer Einführungsphase im Gastland verzichtet (Details findet man auf der Website dazu keine). Auch eine Nachbereitung des Einsatzes ist nicht vorgesehen. Dafür wird auf der Website der Organisation der „Information for Parents“ viel Raum gegeben.
Diese für mich doch verstörenden Fragen werfen für mich die Frage auf, wie alt die Zielgruppe von African Impact ist.
International Volunteer HQ
International Volunteer HQ (kurz: IVHQ) ist weltweit eine der größten Vermittlungsagenturen im Bereich Freiwilligenarbeit. Das in Neuseeland ansässige Unternehmen vermittelt nach eigenen Angaben Volunteers in 40 Länder und verlangt dafür die „günstigsten Programmgebühren“. Ein Blick in die Preisliste bestätigt, dass zweiwöchige Programme tatsächlich für unter 1.000 US-Dollar (natürlich ohne Flug und Versicherung) angeboten werden. Angeboten werden alle erdenklichen Tätigkeiten und auch auf die Vermittlung an Waisenhäusern will man nicht verzichten.
Minimalanforderungen bezüglich Ausbildung und Qualifikation der Freiwilligen sucht man vergeblich – wie bei vielen anderen kommerziellen Anbietern bucht man hier ein touristisches Produkt, bei dem die TouristInnen im Mittelpunkt stehen. Ein Google-Anfrage und ein Blick in die Facebook-Gruppe Critical volunteering reviews (IVHQ, Projects Abroad, Frontier and others) verrät allerdings, dass man es mit dem Wohlergehen der Freiwilligen auch nicht immer so genau nimmt. Es wird kritisiert, dass es vor Reisantritt keinerlei Klarheit über den genauen Einsatzort gibt, die Unterkunftssituation für viele Freiwillige nicht tragbar ist und vor Ort keine oder nur schlecht informierte Ansprechpersonen vorhanden sind.
Bis vor Kurzem gab es von IVHQ überhaupt kein Vorbereitungsangebot für Volunteers. Der in diesem Zusammenhang immer lauter werdenden Kritik will man mit einer vermeintlichen, für das Unternehmen preiswerten, Innovation entgegentreten. Die IVHQ-Volunteers erhalten nach der Buchung der Reise Zugang zu einem Online-Vorbereitungskurs. Im 21. Jahrhundert erscheint das auf den ersten Blick gar keine so schlechte Idee. Der online verfügbare Überblick über die drei Module ‚Know before you go’, Keeping safe’ und ‚Being a responsible and valuable volunteer’ und vor allem die frei verfügbaren Beispiellektion lassen aber große Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Angebots aufkommen.
Neben dem infantilen Inhalt und der stereotypen Aufmachung ist auch die finanzielle und personelle Verstrickung zwischen IVHQ und dem Unternehmen Global Travel Academy zu hinterfragen. Details dazu und zur Frage, warum ausgerechnet eine Investmentfirma kürzlich IVHQ übernommen hat, finden sich in diesem Beitrag.
Frontier
Das in England registrierte Unternehmen Frontier vermittelt Freiwillige an 400 Projekte in 72 Ländern. Ein erstes Überfliegen der Website hinterlässt einen durchaus positiven Eindruck. Es wird sehr viel über die langjährigen Forschungsarbeiten der Organisation berichtet und immer wieder auf namhafte Kooperationspartner, wie beispielsweise den WWF, verwiesen. Dieses Bild ändert sich, sobald man die Freiwilligenprojekte gefunden hat. Dort heißt es einleitend:
„Projects run anywhere between 1 and 30 weeks and there are a whole variety of short trips for those with limited time. There’s also something to suit every budget and interest, with everything from conservation and community development, to adventure travel experiences and internships abroad. Take a look below to see all the types of volunteering and adventure travel opportunities available.“ (Quelle: Website von Frontier)
Die Organisation bietet also Einsätze für jeden Geschmack und jedes Zeitbudget – kein Wort über nötige Qualifikationen oder Erfahrungen. Auch vor Waisenhäusern und Angeboten aus dem Bereich Großkatzen-Streichelzoo schreckt man nicht zurück. Die Preise dafür sind teilweise um einiges höher als bei den beiden oben genannten Konkurrenten. Neben Flug und Versicherung müssen bei vielen Projekten auch Mahlzeiten (zum Beispiel an den Wochenenden oder generell Abendessen) zusätzlich bezahlt werden. Positiv zu vermerken ist, dass bei längeren Aufenthalten eine Orientierungswoche im Gastland vorgesehen ist. Der genaue Inhalt wird jedoch nicht beschrieben und bei kurzen Einsätzen entfällt diese Orientierungsphase überhaupt. Eine Vorbereitung im Heimatland sowie eine Nachbereitung des Aufenthalts erhalten die Volunteers nicht. Auf der Website ist lediglich von „Pre-departure support“ die Rede, wobei absolut unklar bleibt, um was es sich dabei handelt.
Neben Angeboten wie Babyelefanten-Füttern und Brüllaffen-Streicheln ist mir vor allem ein Hai-Projekt in Südafrika aufgefallen. Besonders befremdlich dabei ist, dass für dieses Programm mit der Möglichkeit geworben wird, Weißen Haien im Zuge eines Käfigtauchgangs ganz nah zu begegnen. Bei derartigen Tauchgängen werden die Haie mit Blut, Fleisch oder Fisch angelockt und dadurch in weiterer Folge aggressiv gemacht. Ein zu Recht sehr umstrittenes „Abenteuer“, das absolut nichts mit nachhaltigem, ökologischem Tourismus zu tun hat.
Zusammenfassend ist es mir komplett unverständlich, auf welcher Grundlage diese Unternehmen positiv bewertet werden können. Alle drei Organisationen erscheinen zuallererst der Gewinnmaximierung verpflichtet und verwenden Schlagwörter wie „Verantwortungsvolle Freiwilligenarbeit“ rein und ausschließlich zu Marketingzwecken.
Wenn du auf der Suche nach Organisationen bist, die nachhaltige und faire Freiwilligenarbeit nicht nur auf ihrer Website propagieren, sondern wirklich leben, dann schau hier vorbei.
Hast du Erfahrungen mit diesen oder ähnlichen Organisationen gemacht? Teile sie mit uns in den Kommentaren!
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