Bloggen und Gender: Dieses Thema liegt uns sehr am Herzen und uns ist klar, dass dieser Beitrag eine Diskussion und vielleicht auch negative Reaktionen hervorrufen kann – aber: Diskussionen sind wichtig, denn nur so kann sich etwas verändern!

Worum geht es heute? Es geht um Bloggen und Gender, es geht um das Binnen-I. Es geht um Sprache als gesellschaftliche Realität, als Machtinstrument und als Chance für Veränderungen. Es geht um das ‘Gendern’ in Blogbeiträgen.

 Ich bin KEIN Blogger, KEIN digitaler Nomade und KEIN Leser – ich bin Bloggerin, digitale Nomadin und Leserin!

So einfach ist das! Ich möchte auch gerne so angesprochen werden!

Ich lese relativ viele Blogs und oft geht es mir so, dass ich mich nicht angesprochen fühle oder dass ich mich frage, ob der Text wirklich nur an Männer gerichtet ist. Warum gendern so viele Bloggerinnen und Blogger nicht und warum spricht das Thema niemand an?

Warum ist gendern wichtig?

1) Das generische Maskulinum ignoriert ungefähr die Hälfte der Menschheit, diese Unlogik in der Sprache mag auch daher entstanden sein, dass Frauen früher nicht die selben Rechte hatten wie heute (ich spreche von Mitteleuropa), d.h. wenn nur Männer wählen gehen dürfen, braucht man auch nicht von Bürgerinnen sprechen – es gibt ja nur Bürger. Wenn Frauen nicht lesen können, gibt es nur Leser, wenn Frauen nicht studieren, gibt es nur Studenten. Heute ist das anders, und die Sprache passt sich langsam an. Somit ist die Verwendung rein maskuliner Formen empirisch schlichtweg falsch – oder wie Element of Crime pointiert zusammenfassen: “Sicher gibt das böses Blut, doch Sprache ist, das wissen wir, das allerhöchste Gut und ohne Klarheit in der Sprache ist der Mensch nur ein Gartenzwerg.” (Alle vier Minuten)

2) Gerade digitale NomadInnen und BloggerInnen, die in einem innovativen Medien- und Kommunikationssektor agieren, könnten eine Vorreiterrolle gegenüber der traditionellen Medien einnehmen und vorzeigen, wie man es besser machen kann! Beim digitalen NomadInnentum geht es um alternative Lebensmodelle, um das Ausbrechen aus dem Hamsterrad und darum, alteingesessene Konventionen zu überwinden. Das generische Maskulinum ist ein reaktionärer und konventioneller Sprachgebrauch, den es hinter sich zu lassen gilt!

3) Gesellschaftliche Realität konstruiert sich durch die Sprache, durch das Ignorieren des weiblichen Geschlechts werden Machtverhältnisse nur noch weiter zementiert. Die Sprache ist unser Kommunikationsmittel und sollte deshalb nicht als letzte sondern als erste Instanz zur Veränderung genutzt werden. Wie Ludwig Wittgenstein so treffend gesagt hat: „Die Grenze meiner Sprache ist die Grenze meiner Welt.“ Für eine intensivere Auseinandersetzung sei hier auf den Konstruktivismus verwiesen.

Natürlich gibt es eine Reihe Gegenargumente, die gegen das Verwenden der weiblichen oder geschlechtsneutralen Form vorgebracht werden:

„Es war schon immer so” oder  „ich habe es so gelernt“

Kann sein – aber die Sprache durchläuft einen ständigen Prozess der Veränderungen, neue Wörter und neue Grammatikregeln werden implementiert und in den Duden aufgenommen. Das Leben ist ein Prozess, wir Menschen entwickeln uns weiter – und mit uns die Sprache. Wir sollten froh sein, dass wir Blogposts nicht auf Althochdeutsch schreiben müssen, dass wir in einer Zeit der technologischer Innovationen leben und wir sollten diese Prozesse für uns nutzen.

„Das sieht nicht schön aus und unterbricht den Lesefluss“

Wenn ich denke, die Konzentrationsfähigkeit meiner Leserinnen und Leser wird vom Binnen-I oder anderen geschlechtsneutralen Formen negativ beeinflusst, traue ich meinem Publikum nicht besonders viel zu. Die kognitiven Fähigkeiten des Menschen sind sehr gut! Das Binnen-I mag vielleicht einigen aus ästhetischen Gründen nicht so gut gefallen, obwohl dies schwer nachvollziehbar ist. Auch die Redaktion des Duden diskutiert die Verwendung des Binnen-Is und stellt Alternativen zur Vermeidung eines sexistischen Sprachgebrauchs bereit. Man kann das Binnen-I auch gut vermeiden, indem man entweder ein geschlechtsneutrales Wort oder einfach die männliche und die weibliche Form verwendet. Ich freue mich übrigens über _, /, (), * und X, denn es zeigt mir, dass die Autorin oder der Autor mir mit Respekt begegnet.

„Andere Probleme der Frauen sind wichtiger und Sexismus kann sich auch in anderen Formen äußern“

Stimmt! Was trägst du dazu bei, dass sich etwas verändert? Was machst du gegen Sexismus? Welchen Frauennetzwerk gehörst du an und wann warst du das letzte Mal demonstrieren? Du könntest dich ja fragen, welchen Beitrag für eine (geschlechter-) gerechtere Welt leisten könntest. Ein kleiner Beitrag wäre das direkte Ansprechen deines weiblichen Publikums. Der Aufwand hält sich in Grenzen!

„Das ist mir egal“

Dieses Argument kann man gegenüber allen Themen vorbringen, aber eigentlich ist es kein Argument. Personen, denen dieses Thema wirklich egal ist, haben diesen Text nicht bis hierher gelesen und werden auch nicht kommentieren, denn es ist ja eh egal!

Das Thema Gendern wird in den Medien in letzter Zeit immer wieder aufgegriffen, ein sehr stark zu beobachtendes Phänomen ist die starke Präsenz und die Lobby der GegnerInnen vor allem in Sozialen Netzwerken. Beispielsweise hat eine österreichische Politikerin einen Schlagersänger in Facebook kritisiert, da er den neuen Text der Bundeshymne (“große Töchter und Söhne”) bei einer großen Veranstaltung nicht verwendet hat. Sie hat daraufhin alle Arten der Beschimpfungen, bis hin zu Morddrohungen erhalten. ProfessX Hornscheidt an der Berliner Humbold Universität hat öffentlich den Wunsch geäußert ohne Geschlecht angesprochen zu werden. Die Reaktionen darauf sind mehr als befremdlich. Forschung zu Netzfeminismus setzt sich mit diesem Phänomen auseinander, es ist interessant zu sehen, dass die Kritik am Gendern offenbar lauter ist, als die Kritik am Nicht-Gendern.

Die Gründe sehen manche in einer Rückkehr zum Konservativismus und einer Stärkung des rechten oder antifeministischen Lagers. Ich hoffe, dass dem nicht so ist, sondern dass es einfach noch etwas Zeit, Bildung und Aufklärung braucht, um eingefahrene Denkprozesse nachhaltig zu verändern.

Na, liebe Bloggerinnen und Blogger, liebe digitale Nomadinnen und Nomaden – lasst uns doch gemeinsam etwas verändern!

 

tiefer…länger…nachhaltiger