“Immer mehr junge Menschen leisten Freiwilligenarbeit im Ausland und werden Opfer von dubiosen Geschäftspraktiken” – so oder so ähnlich gestaltet sich die Kritik an Voluntourismus in den Medien. Während wir uns einerseits darüber freuen, dass das Thema immer mehr Aufmerksamkeit erfährt, sind wir manchmal ein wenig verwundert über die ewig gleiche Berichterstattung. Da geht es um Kurzeinsätze und um illegale Waisenhäuser, es geht um dubiose Geschäftsmodelle, die über Umwege Kinderhandel, Tierquälerei oder gar sexuellen Missbrauch ermöglichen und um die Ausbeutung der Hilfsbereitschaft von jungen Menschen bzw. deren Eltern.

Voluntourismus unter Kritik – was ist wahr daran?

Leider ist die Kritik oft gerechtfertigt und notwendig. Beginnen wir mit dem leidigen Thema Waisenhaustourismus. Ihr könnt über diese Problematik an unterschiedlichen Stellen nachlesen und es sollte relativ bald klar werden, dass Projekte in Waisenhäusern für Freiwillige keine gute Idee sind. Kinder sind keine touristischen Attraktionen und jedeR potenzielle Volunteer, die sich gegen die Arbeit in einem Waisenhaus entscheidet, ist ein kleiner Erfolg.

kritik voluntourismusWeiter geht es mit fragwürdigen Tierschutz Projekten. Wer möchte keine niedlichen Löwenbabies mit der Flasche großziehen, doch daß diese Löwenbabies lediglich für Großwildjäger für die so-genannte Gatterjagd gezüchtet werden, sollte man bedenken. Wenn hunderte Freiwillige für das perfekte Foto den frisch geschlüpften Schildkröten im Weg stehen, bleibt der Umweltschutz auf der Strecke.

Dann gibt es diese Konzerne, die mit tausenden Projekten auf der ganzen Welt “zusammenarbeiten”, in einem Netzwerk, dass niemand durchschauen kann und wo bei rechtlichen Unsicherheiten niemand greifbar ist. Findige Geschäftsmänner und Frauen gründen eine NGO nur dazu, um ein neues Waisenhaus für Freiwillige entstehen zu lassen. Online-Plattformen, wo man Bewertungen und Erfahrungsberichte hinterlassen kann, werden hinter den Kulissen von den großen AnbieterInnen betrieben und lassen dementsprechend nur positives Feedback zu.

Da gibt es Preisschwankungen von Angebot zu Angebot, die sich niemand erklären kann und Versprechungen die lokale NGO mit einem Beitrag zu unterstützen, was dann doch nicht geschieht. Freiwillige werden vor Ort um Almosen gebeten, haben keinen Kontakt zu den versprochenen AnsprechpartnerInnen oder werden in katastrophalen Verhältnissen untergebracht.

Das Licht am Ende des Tunnels

Erfreulicherweise existieren zahlreiche Initiativen, die sich seit Jahren oder Jahrzehnten für faire, verantwortliche und nachhaltige Freiwilligenarbeit im Ausland einsetzen. Andere suchen nach Lösungsansätze für durch Voluntourismus verursachte Probleme wie beispielsweise die Re-Integration von ‘falschen’ Waisen in den Familien- oder Dorfverbund. Weiter unten haben wir einige aufgelistet. Die Erfolge werden manchmal leider von der medialen Berichterstattung kaum beachtet, doch wir wollen ein paar Beispiele nennen, bei denen die Lobbyarbeit für faires Volunteering Früchte getragen hat.

Im deutschsprachigen Raum ist es mittlerweile schwierig geworden, Waisenhausprojekte bei Voluntourismus-AnbieterInnen zu finden. Die viele negative Presse hat viele Reisebüros dazu veranlasst, deren Angebote genauer anzusehen und sich von Projekten bei denen mit besonders schutzbedürftigen Menschen gearbeitet wird, zu verabschieden. Große Vermittlungsplattformen arbeiten nicht mehr mit NGOs oder Reisebüros zusammen, die Waisenhaustourismus anbieten. Der Zugzwang sich gewissen Qualitätskriterien zu verschreiben und Kinderschutzrichtlinien zu implementieren wird immer stärker, je mehr Entsendeorganisationen sich daran beteiligen.

Auch die viel kritisierten Kurzeinsätze könnten im deutschsprachigen Raum ein Randphänomen sein. Die Datenlage in Österreich und Deutschland ist zwar zu dürftig, um allgemein gültige Aussagen über die Gesamtsituation zu treffen. Allerdings wählten laut einer Studie eines der größten Vermittlungsportale mehr als 70% der Freiwilligen (die von diesem Portal vermittelt wurden) zwischen 2014-2017 eine Einsatzdauer von 1-3 Monaten. Dies deutet auf eine erfreuliche Tendenz hin.

Woran kann ich ein ‘fragwürdiges’ Angebot erkennen?

kritik an voluntourismusWir sind gegen Schwarz-Weiß-Malerei und haben schon einige Artikel veröffentlicht, wie man gute AnbieterInnen suchen und finden kann und welche Qualitäts- und Entscheidungskriterien bei der Suche helfen können. Trotzdem wollen wir an dieser Stelle nochmals auflisten, wann die ‘Alarmglocken’ läuten sollten:

  • Keine persönliche Beratung
  • Fehlende Kinderschutzrichtlinien
  • Keine Qualifikationen erforderlich
  • Keine Kostentransparenz
  • Unrealistische Versprechen
  • Keine Vorbereitung, Begleitung, Nachbereitung
  • Keine AnsprechpartnerIn vor Ort
  • Kein Krisenmanagement
  • Stereotype und armutsbasiertes Marketing

Wo kann ich mich weiter informieren?

Wir haben unter Ressourcen viele Links und Literaturtipps für euch zusammengestellt. An dieser Stelle wollen wir euch zum Thema Kritik an Voluntourismus noch ein paar Quellen, wo ihr euch informieren könnt, nennen.

Checkliste / Fragebogen als Hilfestellung bei der Wahl des Angebotes von Responsible Volunteering

Fairunterwegs – Voluntourismus

FAIRantwortungsvoll – Freiwillig Arbeiten im Ausland

Podiumsdiskussion zum Thema Kinderschutz und Freiwilligenarbeit auf der ITB in Berlin, 2018

Haben wir eine wichtige Quelle ausgelassen? Wo habt ihr euch informiert? Wir freuen uns über Kommentare und Anmerkungen.

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