Im ersten Teil zum Thema Social Nomads haben wir über Ausbeutung und Selbstausbeutung geschrieben und darüber, wie schwierig es ist, sich in diesem System zu verorten. Nun werde ich versuchen, dir die Idee des Sozialen NomadInnentums näherzubringen. Wie schon im ersten Teil angesprochen, sind Social Nomads Menschen, die nicht in die Kategorie ‚Online-UnternehmerIn unterwegs’ passen wollen und sich auch sonst schwer in Schubladen stecken lassen. Social Nomads sind nach meiner Definition Digitale NomadInnen, die sich engagieren (sei es politisch, sozial, kulturell oder ökologisch) und sich auch als Global Citizens mit Privilegien und Verantwortung fühlen.
Wie wird man Social Nomad?
Lasst uns kurz einen Blick auf den Begriff ‚sozial’ werfen: Das Adjektiv bedeutet ‚gesellschaftlich’, und bezeichnet die Fähigkeit, sich einzufühlen und sich für andere zu interessieren. Im weiteren Sinne bedeutet sozial auch Gemeinnützigkeit, Hilfsbereitschaft und die eigenen Interessen manchmal hintenanzustellen.
Das ist natürlich nicht so einfach und wie man aus der Erforschung der Freiwilligenarbeit weiß, wird gesellschaftliches Engagement nicht vorwiegend aus altruistischen Gründen betrieben, sondern weil man sich persönlich weiterentwickelt, Aufmerksamkeit erhält und das Gefühl hat, einen Beitrag zu leisten. Die Problematik beginnt schon bei der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Egoismus und Altruismus – hier kann keine trennscharfe Grenze gezogen werden, denn alles was man für andere tut, macht man zum Teil auch für sich selbst. Viele SelbstoptimiererInnen würden vielleicht behaupten, dass es umgekehrt auch funktioniert. Dem kann ich nur teilweise zustimmen, denn die Grenze zwischen gesundem Egoismus und Narzissmus verlaufen oft fließend und sind für die Betroffenen selbst nicht immer erkennbar.
Wie wird man nun Social Nomad? Wenn du jetzt eine Schritt für Schritt Anleitung erwartet hast, muss ich dich leider enttäuschen. Es gibt auch keinen Online-Kurs, kein Ebook und kein persönliches Coaching dazu (also zumindest nicht von uns). Dennoch kannst du dir eine Frage stellen:
Was kann ich für andere tun?
Spenden, Gewinnabgaben an soziale Einrichtungen oder Ähnliches sind kein soziales Engagement, aber auch eine Art, Wertschätzung zu zeigen. Denn natürlich ist Engagement mit Zeitaufwand und viel Hintergrundwissen verbunden. Das Privileg, sich mit diversen Themen zu befassen, muss man sich auch erst einmal leisten können. Damit meine ich, dass es nicht jedermanns Sache ist, sich in der Zivilgesellschaft zu engagieren. Das war schon immer so und ist wohl auch ok so.
Wenn dich finanzielle Sicherheit und ein volles Konto glücklich machen und du Erfolg damit gleichsetzt, kannst du an dieser Stelle aufhören zu lesen. Schön, dass du es bis hierher geschafft hast! Es gibt ja 100e Anleitungen, Kurse und Blogs, wie man zur erfolgreichen Online-UnternehmerIn wird, mach am besten dort weiter.
Wenn du dich gesellschaftlich engagieren und etwas verändern willst, verantwortungsvoll mit deinen Privilegien umgehen und andere Menschen inspirieren willst und glaubst, die Welt ein Stückchen besser machen zu können – dann bist du hier richtig. Stell dir die Frage:
Was möchte ich verändern?
Soziale Bewegungen und soziales Handeln entstehen daraus, dass ein Mangel oder eine Unzufriedenheit wahrgenommen wird. Wenn dich ein Thema, eine Causa berührt, du viel darüber nachdenkst und du dich sehr gut damit identifizieren kannst, ist der erste Schritt getan. Der Schritt in Richtung gesellschaftliches Engagement!
Um diesen Weg zu gehen, muss man auch seine Leidenschaft finden, doch es ist egal, ob man mit dieser Leidenschaft auch Geld verdienen könnte. Aber, wenn es diese Causa für dich gibt, die Sache, die dich nicht mehr los lässt – seien es bedrohte Tierarten, Menschenrechtsverletzungen, Zerstörung der Natur durch den Tourismus, Müllprobleme, Klimawandel, Verteilungsungerechtigkeit, die Kategorisierung von seltenen Instrumenten und so weiter – dann mach etwas daraus und engagiere dich für deine Sache!
Überleg dir, was du erreichen möchtest – den Bau einer Autobahn verhindern, Menschen über bestimmte Gefahren aufklären, empirische Untersuchungen durchführen? Was kannst du gut und was weniger gut? Hör dich um, welche NGOs, Vereine und Initiativen sich schon mit ‚deiner’ Causa befassen und eruiere, ob und wo es Anknüpfungspunkte gibt. Damit ist der erste Schritt zur sozialen NomadIn getan.
Und, kann man davon leben?
Natürlich kann man mit ehrenamtlicher Arbeit kein Einkommen erzielen, aber vielleicht kann man etwas viel größeres erreichen, auf ein Thema aufmerksam machen, das vielen am Herzen liegt, aber niemand dazu publiziert. Gerade in der Vereins- und Nichtregierungsorganisations-Szene gibt es zwar unglaublich viele engagierte Personen, aber oftmals keine öffentliche Sichtbarkeit. Sprich, auch hier gibt es Nischen und das Bedürfnis nach Information im Internet.
Du könntest zum Beispiel den ersten Blog über bedrohte Vogelarten im Bayrischen Wald starten und auf eine riesig große Comunity stoßen, die sich für das Thema interessiert und schon politisch aktiv ist. Gemeinsam könnt ihr mehr erreichen. Falls du noch nicht sehr tief in deinem Thema drin bist, recherchiere weiter und informiere dich genau.
Natürlich kann ein Social Nomad auch jemand sein, die/der sich nicht gesellschaftspolitisch engagiert, das ‘soziale’ kann ja jedeR so breit fassen, wie er oder sie wünscht. Als NomadIn sollte es selbstverständlich sein, den GastgeberInnen respektvoll zu begegnen, die Expat-Blase auch mal zu verlassen, sich versuchen zu integrieren und über das Gastland Bescheid zu wissen. Hier geht es nicht um sozial statt digital, ein Social Nomad arbeitet, oder kann auch vorwiegend online arbeiten. Jedoch steht statt dem UntermehmerInnentum das Soziale im Vordergrund. Der Kontakt mit Menschen, Achtsamkeit und die Wahrnehmung und Reflexion der eigenen Privilegien sollten ein Grundbestandteil des NomadInnentums sein.
Das Ziel ist es, ortsunabhängig unterwegs zu sein, OHNE zwangsläufig vom eigenen Online-Business zu leben. Keine reine Profitorientierung – dann ist auch die Steuerlast übersichtlich. Vielleicht will nicht jede und jeder immer schneller, höher, weiter gehen und noch mehr Kohle machen. Das passt auch gar nicht zu Minimalismus und zu einem ressourcenschonenden Leben sowieso nicht. Wir plädieren dafür, dass sich jede angehende Digitale NomadIn die Frage verinnerlicht: Sind es die vielen Euros am Konto, die glücklich machen, oder kann Erfüllung auch anders erzielt werden?
Und ja, davon kann man auch leben!
Möchtest du Social Nomad werden, oder bist du schon eineR? Hinterlasse uns einen Kommentar – wir freuen uns über Austausch!
tiefer…länger…nachhaltiger
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