Auch die beste Vorbereitung auf deine Freiwilligenarbeit im Ausland ist kein Garant dafür, dass während deines Einsatzes alles glatt läuft. Unvorhergesehene Probleme können jederzeit auftreten und auch deine Erwartungen und Vorstellungen an das Projekt müssen sich nicht zwangsläufig erfüllen.
Im Folgenden geben wir einige Tipps, wie du mit immer wieder vorkommenden Problemen umgehen und verbreitenden Schwierigkeiten begegnen kannst.
1) Kinderschutz bei Schul- und Kindergartenprojekten sowie Waisenhäusern
Ausgangssituation
Wir weisen immer wieder auf die Gefahren bei der Freiwilligenarbeit im Ausland mit Kindern und Jugendlichen hin. Zusammen mit dem Verein ECPAT Österreich haben wir zu diesem Thema eine gedruckte Broschüre herausgegeben, die hier auch online verfügbar ist. Der so genannte Waisenhaus-Tourismus steht dabei im Zentrum einer mittlerweile breit geführten Diskussion. Als Hauptkritikpunkt wird dabei angeführt, dass Waisenhäuser oft nicht im Interesse der Kinder betrieben werden, sondern als touristische Einrichtung mit dem Ziel der Profitmaximierung. Eine Unicef Studie aus dem Jahr 2011 kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass 85% aller „Waisenkinder“ in kambodschanischen Heimen mindestens noch einen lebenden Elternteil haben. Weitere Kritikpunkte sind die oft sehr kurze Aufenthaltsdauer (ein paar Stunden bis zu wenigen Wochen) der Volunteers und die damit einhergehende emotionale Verunsicherung der Kinder resultierend aus den ständig wechselnden Bezugspersonen sowie die meist fehlende pädagogische Ausbildung und Erfahrung der Freiwilligen.
Ein weiterer gravierender Punkt, die Gefahr des sexuellen Missbrauchs, wird in der Diskussion oft vernachlässigt. Oft werden von Freiwilligen keine polizeilichen Führungszeugnisse verlangt und damit werden Pädophilen Tür und Tor geöffnet. Genau mit dieser Gefahr kannst du während eines Einsatzes in einer Kinder- oder Jugendeinrichtung konfrontiert werden!
Was tun?
Wenn du in deinem Projekt den Verdacht hast, dass es zu sexuellen oder anderen Übergriffen auf Kinder durch andere Freiwillige oder lokale ProjektmitarbeiterInnen kommt, solltest du sofort reagieren! Sprich zuallererst die LeiterIn des Projekts an und informiere sie oder ihn über deine Beobachtungen. Wenn damit die Verdachtsmomente nicht aus der Welt geschaffen werden oder von lokaler Seite niemand darauf reagiert, kannst du über die Website www.nicht-wegsehen.at Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch weltweit unabhängig von Kenntnissen der jeweiligen Landessprache schnell und einfach melden. Versuche unter keinen Umständen den Fall selbst aufzuklären – damit würdest du dich unter Umständen in große persönliche Gefahr begeben!
2) Umweltschutz
Ausgangssituation
In unterschiedlichen Ländern herrscht ein unterschiedliches Verständnis in Bezug auf die Umwelt und den Umweltschutz. Der Umgang mit Müll und Abwässern in den Ländern des globalen Südens ist für Menschen aus den Industrienationen anfangs oft sehr gewöhnungsbedürftig. Das Duschwasser findet häufig seinen Weg durch den Hinterhof und nicht mehr gebrauchte PET-Flaschen fliegen im hohen Bogen durch die Busfenster in den Straßengraben. In Ländern wie Österreich und Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten ein sehr hohes Umweltbewusstsein entwickelt und Recycling genießt einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Das Unverständnis ist bei Volunteers umso größer, wenn sie sich bei einem Umweltprojekt engagieren und die lokalen MitarbeiterInnen zwar beispielsweise den Strand von Plastikbesteck und anderem Unrat befreien, die Verpackung des Mittagessens dann aber an ebendiesem Strand „vergessen“ wird.
Was tun?
Wichtig erscheint, dass du dir als Volunteer bewusst bist, dass auch in deinem Heimatland das Verständnis rund um das Thema Umweltschutz nicht von heute auf morgen entstanden ist. Dieser Prozess braucht Zeit. In Entwicklungsländern sind die vermeintlichen Errungenschaften der modernen Welt, wie zum Beispiel Plastik, KFZ-Teile, etc., für große Bevölkerungsschichten erst in den letzten Jahren verfügbar geworden und es wird wohl noch ein paar Generationen brauchen, bis sich der Umweltgedanke in den Köpfen der Menschen fest verankert hat. Du kannst und sollst in entsprechenden Situationen darauf hinweisen – Belehrungen von oben herab solltest du aber auf jeden Fall vermeiden! Auch Vergleiche im Sinne von „Bei uns ist das so und so“ oder „Wir machen das besser, weil“ sind wenig hilfreich. Am besten gehst du mit gutem Beispiel voran, lässt selbst nichts liegen und sammelst Zurückgelassenes ein.
3) Machismo
Ausgangssituation
In den Ländern Lateinamerikas (dort ist auch die Wortprägung des Begriffs Machismo entstanden und das Phänomen besonders stark ausgeprägt), aber auch in Teilen Afrikas, Asiens und auch Europas ist der so genannte Machismo stark ausgeprägt. Der Begriff meint das übersteigerte Gefühl männlicher Überlegenheit und Vitalität, die als Legitimation für die gesellschaftliche Dominanz der Männer gegenüber den Frauen dient. Diese Vormachtstellung zieht sich durch alle Teile der Gesellschaft: von der Politik und Wirtschaft bis hin zum kulturellen Leben. Gerade wenn du bei einem sozialen Projekt Freiwilligenarbeit leistest, beispielsweise Frauenprojekte oder Kulturprojekte, wirst du mit Ausprägungen des Machismo konfrontiert werden.
Was tun?
Als Mann bist du davon ja nicht direkt betroffen. Nichtsdestotrotz solltest du bei machistischen Verhalten in deiner Organisation mit den Vorgesetzten das Gespräch suchen und auf die entwicklungshemmenden Konsequenzen dieser Herrschaftsform hinweisen.
Im Gegensatz dazu bist du als Frau unmittelbar von diesem Phänomen betroffen. Nicht nur in der Arbeitsroutine, sondern auch im Alltag kann es passieren, dass du das Patriachat zu spüren bekommst. Wichtig erscheint, dass du dich davon nicht einschüchtern lässt, deine Positionen vertrittst und dir Gehör verschaffst. Im sehr unwahrscheinlichen Fall, dass du von Männern belästigt wirst und/oder es zu Übergriffen kommt, solltest du sofort deine Entsendeorganisation informieren und gegebenenfalls die Polizei kontaktieren!
4) Meinungsverschiedenheiten mit lokalen MitarbeiterInnen
Ausgangssituation
Meinungsverschiedenheiten können im beruflichen Alltag jederzeit auftreten. Dabei unterscheidet sich ein Freiwilligeneinsatz nicht von der beruflichen Tätigkeit zuhause. Der Umgang mit solchen Situation wird allerdings einerseits aufgrund der wenig vertrauten Kultur des Gastlandes und andererseits durch gewisse Sprachbarrieren erschwert.
Was tun?
Deine erste Ansprechperson sollte die direkte Vorgesetzte sein. Versuche im Gespräch stets respektvoll und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Hör genau zu und versuche die (kulturellen) Gründe für die Auseinandersetzung zu verstehen. Bei Meinungsverschiedenheiten mit Vorgesetzten kann auch ein persönliches Gespräch helfen. Bei gröberen Unstimmigkeiten solltest du deine Entsendeorganisation einbinden.
5) Unterbeschäftigung
Ausgangssituation
Bei den meisten Projekten gibt es ruhigere und stressigere Phasen. Es kann gut sein, dass du dich voll motiviert den ganzen Tag im Projekt einbringen willst, jedoch bereits zu Mittag alle Arbeiten erledigt sind. Dies gehört eben auch zu den Erfahrungen Freiwilligenarbeit dazu. Darüber hinaus ist die Arbeitsmentalität von Land zu Land unterschiedlich und auch die klimatischen Verhältnisse, beispielsweise große Hitze oder Regenzeit, haben einen massiven Einfluss auf die Strukturierung des Arbeitsalltags.
Was tun?
Lass dich auf die neue Situation ein und versuche, in den Rhythmus deines Gastlandes zu finden. Auf gar keinen Fall solltest du versuchen, die westeuropäische Arbeitsmentalität über die Gastorganisation zu stülpen. Derartige koloniale Ideen haben auch schon vor hunderten Jahren nicht funktioniert. Du kannst versuchen, dich in anderen Bereichen (Administration, Küche, Garten, etc.) deiner Organisation nützlich zu machen oder deine Zeit mit einem Sprachkurs, Tanzkurs, o. Ä. sinnvoll zu gestalten.
6) Du bist die einzige Volunteer in deinem Projekt und fühlst dich alleine
Ausgangssituation
Wenn ein Projekt sehr viele Freiwillige gleichzeitig beschäftigt, oder überhaupt nur aus Volunteers besteht, dann ist das in der Regel kein gutes Zeichen. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Organisation nicht im Interesse der lokalen Bevölkerung agiert, sondern mit den Freiwilligen und TouristInnen Geld erwirtschaften möchte. So gesehen, ist es also prinzipiell etwas Positives, wenn du die einzige Volunteer in deinem Projekt bist.
Was tun?
Ein gutes Mittel gegen Einsamkeit sind deine gewohnten Hobbys. Laufen, Lesen, Radfahren, etc. lassen sich fast an allen Projektorten bewerkstelligen. Neue Kontakte zu Einheimischen lassen sich am besten über deine KollegInnen im Projekt knüpfen. Häufig ergeben sich dadurch Einladungen zu Ausflügen, Abendessen und anderen Aktivitäten. Am Anfang können auch Expats (Kurzform für Expatriate, eine AusländerIn, die oder der seinen Lebensmittelpunkt vorübergehend oder dauerhaft in einem anderen Land hat) eine gute Ansprechadresse sein, da sie meist viel über das Land wissen und über gute Kontakte verfügen. Am besten trifft man Expats in internationalen Restaurants und Bars oder in einschlägigen Facebook-Gruppen (nach Expats und dem jeweiligen Land suchen).
Erfahrungen Freiwilligenarbeit: Negatives als Chance
Wie heißt es so schön, im Leben ist nicht immer alles eitel Sonnenschein. Das gilt selbstverständlich auch für die Freiwilligenarbeit im Ausland. Bei Schwierigkeiten während des Einsatzes solltest du aber nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern versuchen, dich auf die neue Situation einzulassen und auch weniger schöne Erfahrungen als Chance für deine weitere Entwicklung begreifen. Bei ersten Anzeichen eines Kulturschocks hilft oft schon ein Telefonat mit FreundInnen oder der Familie. Wenn Probleme im Zusammenhang mit deiner Tätigkeit im Gastland auftreten, ziehe dich nicht zurück, sondern suche aktive das Gespräche mit deinen KollegInnen und Vorgesetzten. Darüber hinaus steht dir bei seriösen Entsendeorganisationen eine Ansprechperson im Heimatland zur Seite.
Welche negativen Erfahrungen hast du während deines Einsatzes gemacht? Wie bist du mit Schwierigkeiten umgegangen? Wir freuen uns über deine Anregungen in den Kommentaren!
tiefer…länger…nachhaltiger
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