Responsible Volunteering ist eine Informationsplattform, die sich zum Ziel gesetzt hat, Freiwilligenarbeit verantwortungsbewusster und besser zu machen. Daniel und Sebastian befassen sich seit langer Zeit mit dem Thema Responsible Volunteering, also verantwortungsvoller Freiwilligenarbeit, sie betreiben die Facebook Seite Responsible Volunteering und haben kürzlich ihre englischsprachige Plattform gelauncht. Wir durften ihnen sieben Fragen über ihre Arbeit stellen.
1) Was ist Responsible Volunteering und was macht ihr genau?
www.responsible-volunteering.com ist eine Plattform, die über gute und verantwortungsbewusste Freiwilligenarbeit informieren möchte. Dabei berichten wir über nachhaltige Praktiken, geben nützliche Tipps und nehmen die Arbeit der Firmen genauer unter die Lupe.
Wir sind beide schon seit einigen Jahren in diesem Bereich tätig und haben viele Dinge gesehen und erfahren, die wir gerne weitergeben möchten. Sehr viele Freiwillige haben nur die besten Intentionen, wenn sie nach einem Einsatzplatz in der Ferne suchen. Sie wollen anpacken und Dinge verändern. Allerdings ist Freiwilligenarbeit in Wirklichkeit oft ein gutes Geschäft und trägt zur Ausbeutung bei: Agenturen lassen sich die Vermittlung teuer bezahlen und von dem Geld kommt häufig nur wenig bei den Einsatzplätzen und den Menschen vor Ort an. Im Gegensatz zu den Freiwilligen haben die Agenturen oft kein Interesse etwas vor Ort zu bewirken – denn damit würde ja ihr Geschäftsmodell wegbrechen. Ebenso haben Sie nur selten die Kapazitäten, um die Strukturen und die Situation vor Ort zu erkennen. Die meisten Firmen haben keine Angestellten, die sich im Bereich Entwicklungspolitik und Soziale Arbeit auskennen. Es wird also ein Geschäft mit den Hoffnungen und Idealen von Menschen gemacht. Das finden wir eine schlimme Sache, auf die wir gerne Aufmerksam machen wollen.
Es sind auch koloniale Denkmuster, auf die wir aufmerksam machen möchten. Diese wurden durch die koloniale Vergangenheit und die über Jahrzehnte abhängig machende Entwicklungszusammenarbeit geprägt und spielen auch bei dem Thema Freiwilligenarbeit immer eine ganz wichtige Rolle. Viele Interessierte sind zum Beispiel der Meinung, dass sie in Entwicklungsländern ganz einfach Tätigkeiten übernehmen können, die bei uns eine mehrjährige Ausbildung oder ein Studium benötigen würden. Aber natürlich gibt es mittlerweile fast überall auf der Welt auch viele Fachkräfte, die diese Verantwortung und Arbeit besser übernehmen können. Diesen Zahn möchten wir den potentiellen Freiwilligen gerne ziehen.
Ein anderes wichtiges Thema ist der Kindesschutz, der zum Beispiel nur selten Beachtung findet. Freiwillige werden in Projekte mit Kindern, vorzugsweise in Kinderheime, vermittelt, ohne dass eine Überprüfung oder eine Auswahl der Freiwilligen stattfindet. Das hat z.B. eine Studie von TourismWatch gezeigt. Nicht jeder ist in der Lage, mit häufig traumatisierten Kindern zu arbeiten. Es ist also auch durchaus möglich, als Freiwilliger echten Schaden anzurichten. Deshalb unterstützen wir z.B. auch die Stop Orphanage Tourism Kampagne.
Viele Entwicklungsorganisationen halten daher Freiwilligentourismus grundsätzlich für falsch und lehnen diese Art von Einsätzen ab. Wir sind aber überzeugt, dass es auch viele gute und spannende Ansätze in der Idee von internationaler Freiwilligenarbeit gibt, ganz besonders, wenn es darum geht, was die Teilnehmenden lernen können. Daher möchten wir diesen helfen eine qualifizierte Entscheidung zu treffen ob Freiwilligentourismus das Richtige für sie ist und worauf man bei der Suche nach einem Angebot achten muss.
Darum haben wir für Responsible Volunteering einen dreigliedrigen Ansatz entwickelt:
- Erstens haben wir Qualitätsstandards aufgestellt, die Hinweise darauf geben sollen, was eine gute Freiwilligenarbeit ist. Diese Standards sollen Interessierten eine Orientierung geben, worauf sie bei der Suche nach einem Einsatzplatz achten müssen und wie man die richtigen Entscheidungen trifft.
- Zweitens beraten wir Interessierte, die sich an uns wenden – sei es per Facebook, Twitter oder über unsere Homepage. Dort haben wir auch einen kleinen Frage & Antwortbereich eingefügt, so dass man auch aus den Fragen anderer lernen kann.
- Drittens haben wir einen Blog: Dort schreiben wir von unseren Erfahrungen, geben Insidereinblicke in die Freiwilligentourismus-Industrie und äußern uns zum aktuellen Geschehen. Wer über die Geschehnisse immer informiert bleiben möchte, kann auch unseren Newsletter abonnieren.
2) Warum schreibt ihr auf eurer Plattform und auf euren Social Media Kanälen auf Englisch?
Wir sind davon überzeugt, dass wir auf diese Weise mehr Menschen erreichen können. Voluntourismus ist gar nicht so sehr ein deutsches oder europäisches Phänomen, sondern vor allem in der anglophonen Welt sehr verbreitet. Viele Australier reisen beispielsweise nach Südostasien und Verbringen dort Urlaub mit einem kurzen Aufenthalt in einem „Hilfsprojekt“. Und tatsächlich verzeichnen wir im Moment die höchsten Freiwilligenzahlen aus dem nordamerikanischen Markt. Zunehmend gewinnt auch der asiatische Markt für die Firmen an Bedeutung. Aber es gibt noch einen weiteren wichtigen Punkt: Wir möchten auch Organisationen und Interessierten aus den sogenannten „Entwicklungsländern“, also dem Globalen Süden, Zugang zu unseren Informationen ermöglichen. Wir haben schon einige Zuschriften von NGOs bekommen, die uns ihre Erfahrungen mit Freiwilligen oder Agenturen mitgeteilt haben. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn wir auf Deutsch schreiben würden.
3) Arbeitet Ihr auch mit Entsendeorganisationen zusammen und wenn ja, wie?
Nein, das ist bisher nicht der Fall. Unsere Idee ist es, eine unabhängige und überparteiliche Plattform zu sein um klar zu machen, dass unsere Informationen und Darstellungen tatsächlich verlässlich und neutral sind. Es gibt viele Seiten im Internet, die sich den Anschein geben unabhängig zu informieren, wenn man aber genauer hinschaut werden Interessierte durch Werbung zu bestimmten Anbieter geleitet. Daher war auch einer unserer ersten Beiträge auf unserem Blog über die Verbindungen einer der größten Bewertungsportals für Freiwilligenarbeit zu einer großen Firma.
Der Vollständigkeit muss aber gesagt werden, dass Daniel bei einer Organisation arbeitet, die unter anderem auch Langzeitfreiwilligendienste anbietet, die über das „weltwärts“-Programm der deutschen Bundesregierung finanziert werden.
4) Wie finanziert ihr euch?
Bisher arbeiten wir ehrenamtlich und finanzieren die Ausgaben für die Homepage und die Reisen aus eigener Tasche. Wir überlegen, ob wir uns mittelfristig um öffentliche Gelder bewerben sollen, zunächst möchten wir aber schauen, wie unser Projekt ankommt.
5) Wie schaut für euch die ideale Volunteer Reise aus?
So einfach gibt es die natürlich nicht und natürlich geben unsere Qualitätsstandards schon eine Idee darüber, was uns bei Freiwilligenarbeit wichtig ist.
Ideal wäre es, wenn Freiwillige ein gutes Verständnis für ihre Rolle entwickeln, wenn die Einsatzplätze tatsächlichen Bedarf an Freiwilligen haben und wenn beide zusammen daran arbeiten langfristig nachhaltige Projekte zu gestalten und Probleme vor Ort zu lösen. Eine ideale Volunteer Reise muss übrigens auch gar nicht weit weg gehen – oft gibt es ja schon in der direkten Nachbarschaft absolut unterstützenswerte Projekte, die um einiges nachhaltiger und transparenter sind als die Einsatzplätze der meisten kommerziellen Anbieter die im Globalen Süden arbeiten. Für uns steht das voneinander lernen im Mittelpunkt, welches leider häufig vernachlässigt wird. Daher finden wir es wichtig, dass Freiwillige auch auf die Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung achten. Den das Wichtigste kommt nach dem Besuch vor Ort: Die Erfahrungen können zu Hause weiter gegeben werden und die Freiwilligen sollten die Möglichkeit haben sich langfristig auf der Grundlage ihrer Erlebnisse zu engagieren.
6) Was bedeutet für euch ‚tieferes Reisen’?
Tiefes Reisen – das bedeutet für uns vor allem verstehen und ankommen. Es geht nicht darum, möglichst viele Orte möglichst schnell zu „entdecken“ und auf Instagram zu posten. Tiefes Reisen heißt Menschen vor Ort zu treffen, sich mit ihnen zu unterhalten und ihre eigene Sichtweise auf die Welt kennenzulernen. Es bedeutet Dinge zu begreifen, wieso etwas so ist wie es ist – und diese Erfahrungen und das Wissen darum gut für sich aufzubewahren und in die Heimat mitzunehmen. Je mehr man von dieser Welt versteht, desto besser ist der eigene innere Kompass und man lernt die richtigen Entscheidungen zu treffen.
7) Was habt ihr in Zukunft vor?
Viel! Aber zunächst möchten wir uns erst einmal stabilisieren und einen Namen machen. Wir sind am 01.09.2016 gestartet und sind erst wenige Wochen alt. Dazu kommt, dass wir ehrenamtlich arbeiten und dem Projekt damit natürliche Grenzen gesetzt sind. Wir würden uns über mehr Mitstreiter_innen freuen um uns weiterzuentwickeln und mehr Themen und Hilfestellungen anbieten zu können. Wir möchten noch mehr Menschen erreichen und ihnen deutlich machen, was hinter der Idee von Freiwilligentourismus steckt und welche Fallen dort lauern. Wir möchten den Markt positiv beeinflussen.
Gerne möchten wir auch Organisationen unterstützen, die wirklich nachhaltige und gute Freiwilligendienste anbieten wollen. Außerdem ist es uns wichtig, auch ehemaligen Programmteilnehmenden eine Plattform zu bieten, wo sie aus erster Hand von ihren Erfahrungen berichten können. Bisher haben wir dafür eine Facebookseite und eine Facebook Gruppe eingerichtet. Das würden wir gern prominenter platzieren.
Weitere Infos unter responsible-volunteering.com
Fotos © Responsible Volunteering
Ich habe mit großem Interesse Eure interessanten Beiträge gelesen. Nachdem ich nach meinem Abitur Freiwiwilligenarbeit auf den Fidschis (Building + Kinedrgarten) machen möchte, würde mich interessieren, ob ihr mir eine seriöse Organisation hierfür empfehlen könnt. Ich bin sehr verunsichert, da immer wieder von verschiedensten Anbietern (z.B. Praktikawelten, IVHQ…) abgeraten wird
Vielen Dank !
Liebe Sophia,
wir freuen uns, dass du uns gefunden hast. Auf den Fidschis kenne ich keine Projekte, leider. Eine seriöse Organisation erkennst du z.B. daran, dass sie sich Zeit nimmt für deine Platzierung, die Mindestaufenthaltsdauer angemessen ist, die Kosten transparent sind, eine Kinderschutzrichtlinie implementiert ist, du keine Tätigkeiten übernehmen sollst, für die du nicht qualifiziert bist,… etc. Schau dich ein wenig bei uns am Blog und unter Ressourcen um, dort findest du hilfreiche Anleitungen, wie du ein passendes Projekt finden kannst. Die Beratungsstelle WeltWegWeiser (in Österreich) und Weltwärts in Deutschland können dich bestimmt auch bei der Suche unterstützen.
Auch auf der Facebook-Seite von Responsible Volunteering kannst du ebenfalls Fragen stellen. Ich hoffe, das hilft dir etwas weiter.
Alles Gute und lg, Eva