Obwohl Freiwilligenarbeit im Ausland auf eine lange Tradition zurückblicken kann, ist die deutsche Medienlandschaft erst die letzten paar Jahre auf das Phänomen aufmerksam geworden und berichtet seither über Skandale und Erfolgsgeschichten. Wir haben in unserem Ebook versucht, die verwendeten Begriffe ein wenig einzugrenzen, was gar nicht so einfach ist. Heute teilen wir einige Ergebnisse mit euch und nennen Vor- und Nachteile für alle Formen des Volunteer Reisens.

Vorab: Warum sprechen wir auf DeeperTravel meistens von ‚Volunteer Reisen’ und nicht von ‘Freiwilligentourismus’, ‘Voluntourismus’ oder ‚Freiwilligenarbeit im Ausland (oder im globalen Süden)’?

Diese Bezeichnungen sind von der Bedeutung eigentlich gleichzusetzen. Leider ist der Begriff „Freiwilligenarbeit“ etwas sperrig und der Begriff Ausland zu sehr mit nationaler Identität verbunden, über ‚globaler Süden’ lässt sich auch streiten. Deshalb haben wir uns für Volunteer Reisen entschieden. Damit sind alle Aktivitäten, die ehrenamtliches Engagement mit einer Reise verbinden, gemeint. Natürlich gibt es einige Sub-Kategorien, die wir euch nun vorstellen möchten:

Work and Travel

Work and Travel bedeutet die Kombination aus einer touristischen Aktivität und Arbeit, die ehrenamtliche Komponente fällt dabei weg. Für die Arbeit erhält man eine Gegenleistung, meist Kost und Logis. In diesem Beitrag haben wir über unsere persönlichen Erfahrungen mit Work and Travel berichtet.

Workaway PanamaVorteile: Langzeitreisende können so günstiger unterwegs sein, sie kommen einfacher mit Einheimischen in Kontakt und lernen die Sprache und manchmal neue Tätigkeiten (Kellnern, Rezeption, Landwirtschaft,…). Für die Anbieter kann der Austausch gewinnbringend sein, sie lernen Menschen aus unterschiedlichsten Ländern kennen, Sprachaustausch wird gefördert und sie haben günstige Arbeitskräfte, die ihnen unter die Arme greifen.

Nachteile: Die Arbeit ist weder versichert noch versteuert, die Volunteers können ausgebeutet werden oder wiederum die Gastfreundschaft der Anbieter missbrauchen. Arbeitsplätze gehen verloren und die Rollen und Aufgabenbereiche sind für Außenstehende (z.B. Gäste in Hostels) nur schwer nachvollziehbar.

Voluntourismus

Diese Definition ist eine Abkürzung des Begriffs Volunteer Tourismus und verweist meist auf Volunteer Reisen, die von kommerziellen Anbietern (im Gegensatz zu Vereinen, Initiativen oder kirchlichen Organisationen) zusammengestellt werden.

Turtle NicaraguaVorteile: Reisebüros haben viel Erfahrung in der Planung von Reisen und können individuell auf KundInnenwünsche eingehen, die Volunteers buchen meist ein all-inclusiv Paket, bei dem für alles gesorgt ist. Je nach Anbieter sind Vor-und Nachbereitung und eine Ansprechperson ebenfalls inkludiert. Die Preise sind sehr unterschiedlich und kürzere Aufenthalte sind oft ebenfalls möglich. Volunteers können bei ihrem Einsatz viel lernen!

Nachteile: Voluntourismus kann sehr teuer sein, da die Unternehmen auf dem freien Markt agieren und oftmals einen großen Verwaltungsapparat und Vertriebskosten finanzieren müssen. Wenn die KundIn, sprich der oder die Volunteer, das Sagen hat, können die Projektpartner darunter leiden (zum Beispiel bei Einsätzen unqualifizierter Volunteers oder bei zu schnellem Wechsel der Freiwilligen) oder im schlimmsten Fall wird aufgrund der Nachfrage erst ein Angebot geschaffen. Beispiel: Waisenhaustourismus in Ghana.

Freiwilligenarbeit mit einer Entsendeorganisation

Freiwilligenarbeit im globalen Süden, Freiwilligendienst, Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), Zivildienst im Ausland – diese Aufenthalte werden von Vereinen, Initiativen, kirchlichen Organisationen oder Nichtregierungsorganisationen angeboten. Die Dauer des Einsatzes ist meist langfristig ausgelegt (mehr als 3 Monate) und außer Unterkunft, Anreise und Verpflegung fallen meistens keine Kosten für die Freiwilligen an. In manchen Fällen gibt es sogar finanzielle Förderungen.

Turtle VolunteeringVorteile: Die Entsendeorganisationen haben oft umfangreiche Erfahrungen mit ehrenamtlichen MitarbeiterInnen und in der Entwicklungszusammenarbeit und außerdem werden sie von öffentlichen Stellen evaluiert und kontrolliert. Durch die längeren Einsätze können die Freiwilligen sich besser in die Teams integrieren. Volunteers können viel bei ihrem Einsatz lernen!

Nachteile: Die Projektpartner im Süden sind meist finanziell von den Entsendeorganisationen abhängig, da die Volunteer Programme in größere Strukturen eingebettet sind. Neokoloniale Denkmuster und armutsbasierte Werbung können ein Problem sein. Darüber hinaus wird die Abgrenzung zur klassischen Entwicklungszusammenarbeit manchmal nicht ganz getroffen, bzw. den Freiwilligen vermittelt.

Uns ist aufgefallen, dass viele Vorurteile zu Volunteer Reisen kursieren – im Sinne von:

Eine VoluntouristIn, die oder der zwei Wochen in einem Waisenhaus arbeitet = böse.

Eine VoluntärIn oder Freiwilliger, der oder die ein Jahr bei einem Projekt der Entwicklungszusammenarbeit, welche 20 Qualitätskriterien erfüllt = gut.

Ach, wenn es doch nur so einfach wäre! Natürlich gilt es den schwarzen Schafen, von denen es leider genug gibt, den Kampf anzusagen. Eine Vorverurteilung wirft aber ein schlechtes Bild auf sozial engagierte Unternehmen oder auf Anbieter, die mit interkulturellen Workcamps (ja, die dauern oft nur 1-2 Wochen) einen tollen Beitrag zur Völkerverständigung leisten. Gleichzeitig werden Organisationen in den Himmel gelobt, deren Hintergrund in der Vergangenheit, z.B. mit Missionsarbeit, viele der heute bekannten Probleme erst verursacht haben. Leider kommt es auch manchmal vor, dass große nicht-kommerzielle Organisationen für ihr Fundraising mit armutsbasierter Werbung arbeiten. Am wichtigsten erscheint es uns, dass ein Lernprozess bei den Volunteers ausgelöst wird: über die eigene Rolle und über globale Ungleichheiten, über Nachhaltigkeit und Tourismus, über kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede und vieles mehr. Dieser Prozess ist sehr individuell, trotzdem ist es die Aufgabe der Anbieter, die Volunteers dabei zu unterstützen.

Wir plädieren für eine differenzierte Herangehensweise und sind gegen Vereinfachungen. Das wird dem komplexen Thema nicht gerecht! Wir werden weiterhin versuchen, Volunteer Reisen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und darüber zu berichten.

In diesem Sinne: Alles bleibt kompliziert!

Habt ihr Ergänzungen zu den Vor- und Nachteilen? Wenn wir einen Aspekt nicht erwähnt haben, freuen wir uns über Nachrichten oder Kommentare!

tiefer…länger…nachhaltiger