Auf unserer ständigen Suche nach Alternativen zu Flugreisen lässt sich eine Beschäftigung mit der Schifffahrtsindustrie schwer vermeiden. Da aufgrund der hohen Versicherungsprämien Fahrten mit Frachtschiffen sehr teuer sind, hat sich unser Interesse recht schnell auf die Kreuzschifffahrt verlagert. Die so genannten Überführungskreuzfahrten erschienen uns dabei speziell interessant und nach langen Recherchen und Überlegungen haben wir uns im September 2016 für eine Überführungskreuzfahrt von Spanien nach Panama entschieden. Alle Infos sowie Tipps zur Buchung einer derartigen Kreuzfahrt haben wir in diesem Beitrag zusammengeschrieben.

Doch kann man wirklich ruhigen Gewissens auf eine Kreuzfahrt gehen? Wie umweltschädlich sind Kreuzfahrten wirklich und wie schaut es mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Crewmitglieder aus?

In genau zwei Wochen gehen wir wieder an Board eines Kreuzfahrtschiffes und werden den Atlantik in die andere Richtung von Costa Rica nach Portugal überqueren. Ein guter Zeitpunkt, sich die Realität hinter der funkelnden Fassade der Kreuzfahrtindustrie anzuschauen und darüber zu reflektieren, unter welchen Bedingungen eine Kreuzfahrt vertretbar erscheint.

Kreuzfahrten boomen

Seit mehr als 20 Jahren wird die ursprünglich US-amerikanische Idee, die schönsten Tage des Jahres an Bord einer schwimmenden Kleinstadt zu verbringen, auch in Europa immer populärer. Die Kreuzfahrtbranche erlebt zurzeit sogar einen regelrechten Boom und das Angebot reicht von klassischen Kreuzfahrten bis zu Themenkreuzfahrten mit speziellen Schwerpunkten, wie beispielsweise Heavy Metal (Full Metal Cruise), Sex (Kreuzfahrt der Begierde), Volksmusik (Musikantenstadl-Kreuzfahrt) oder auch David Hasselhoff. Weltweit sollen im Jahr 2016 24 Millionen Menschen eine Kreuzfahrt unternommen haben (im Jahr 2014 waren es 22 Millionen) und die jährlichen Wachstumsraten liegen zwischen acht und zehn Prozent. 2014 kamen allein aus Deutschland 1,77 Millionen Kreuzfahrtpassagiere – zum Vergleich waren es 1993 nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes (DRV) lediglich 183.000. Die Situation in Österreich ist dabei sehr ähnlich: Die Nachfrage ist ebenfalls ungebrochen und im Jahr 2015 gingen immerhin 138.644 ÖsterreicherInnen auf Kreuzfahrt.

Nachhaltigkeit Kreuzfahrt Schiff Monarch
Die stetig steigende Nachfrage geht auch mit immer mehr und vor allem immer größeren Schiffen einher: Global wird in neue, noch pompösere Kreuzfahrtschiffe investiert, wobei mit dem Stapellauf der Harmony of the Seas im Mai 2016 der aktuelle Zenit erreicht wurde. Mit 16 Passagierdecks, 2.747 Kabinen und Platz für 5.497 Gäste stellt das Schiffe alles bis dato dagewesene in den Schatten. Die große Nachfrage nach Kreuzfahrten schlägt sich aber nicht nur auf die Größe der Schiffe nieder. Auch die Infrastruktur wird stark gefordert und so müssen beispielsweise neue Häfen und Anleger errichtet werden.

Mit diesem rasanten Wachstum geht seit vielen Jahren auch harsche Kritik an der Kreuzfahrtindustrie einher, die sich vor allen beim Thema Nachhaltigkeit der Kreuzfahrt entlädt. Die Hauptkritikpunkte können auf der ökologischen, ökonomischen und sozio-kulturellen Ebene verortet werden (mehr zu den drei Ebenen des Nachhaltigen Tourismus findest du hier).

Auswirkungen einer Kreuzfahrt auf der ökologischen Ebene

Aufgrund der Anzahl und der immer größeren Schiffe steigt die Umweltbelastung enorm an. Einerseits ist der Ressourcenverbrauch der Ozeanriesen immens und andererseits entstehenden große Mengen an Abwässern und Abgasen, wobei vor allem die Emissionen im Zentrum der Kritik stehen. Der Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) weißt in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein einziges modernes Kreuzfahrtschiff täglich rund 450 Kilogramm Rußpartikel, 5.250 Kilogramm Stickoxide und 7.500 Kilogramm Schwefeldioxide ausstößt. NABU untersuchte auch alle 20 bis 2016 vom Stapel gelaufenen neuen Kreuzfahrtschiffe auf ihre Abgastechnik und deren Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Gesundheit. Das ernüchternde Ergebnis: 17 der 20 Schiffe verfügen über keinerlei Abgasreinigung. Die Luftschadstoffbelastung, die von den untersuchten Kreuzfahrtschiffen ausgeht, entspricht demnach insgesamt derjenigen von rund 120 Millionen modernen Pkws. Das aktuelle NABU-Kreuzfahrtranking 2016 streicht heraus, dass alle europäischen Kreuzfahrtschiffe weiterhin Schweröl verfeuern und 80 Prozent der in Europa fahrenden Schiffe über gar keine Abgasreinigung verfügt oder allenfalls den gesetzlichen Mindeststandards nachkommt.

Nachhaltigkeit Kreuzfahrt Hafen

Diese Emissionen tragen nicht nur zum globalen Klimawandel bei, sondern belasten zusehends auch die Hafenstädte. Es mehren sich die Berichte über Dunstschwaden und schwarzen Schnee über den von den Kreuzfahrtschiffen angelaufenen Städten. Damit einher geht bei der Bevölkerung die Angst vor Krankheiten wie Asthma und Lungenkrebs. NABU und Friends of the Earth haben schon im Jahr 2014 Feinstaubelastungen in der Nähe von Kreuzfahrtterminals gemessen, die um das 60-Fache über den Durchschnittswerten in der jeweiligen Stadt lagen.

Der Ressourcenverbrauch sowie die erzeugten flüssigen und festen Abfälle eines modernen Kreuzfahrtschiffes sind ebenfalls gewaltig: Ein modernes Kreuzfahrtschiff braucht 1000 bis 2000 Tonnen Frischwasser pro Tag, das heutzutage direkt aus dem Meer gewonnen wird. In weiterer Folge entsteht eine ebenso große Menge Abwässer, welche normalerweise in der bordeigenen Kläranlage gereinigt werden. Dazu kommen täglich bis zu zehn Tonnen Bioabfälle aus den Küchen und Restaurants und etwa zehn Tonnen Klärschlamm aus der Abwasseraufbereitungsanlage.

Aus Abfällen, die getrocknet und verbrannt werden können, wird in Verbrennungsanlagen neue Energie gewonnen und nicht-brennbarer Müll wird zerkleinert und zum Recycling an Land gebracht. Soweit die Theorie.

ExpertInnen weißen allerdings darauf hin, dass in der Praxis eine Kontrolle nahezu unmöglich ist, sobald die Schiffe nicht mehr im Bereich der Küstenwache sind. Demnach weiß auch niemand, wie viele Abfälle tatsächlich von den Kreuzfahrtschiffen auf hoher See über Bord gekippt werden.

Auswirkungen einer Kreuzfahrt auf der ökonomischen Ebene

Die ökonomische Ebene steht in der Diskussion über Kreuzfahrten meist im Schatten der ökologischen Komponente, obwohl einerseits, wie bereits eingangs erwähnt, die Gewinne der Reedereien enorm sind und andererseits die Arbeitsbedingungen auf Kreuzfahrtschiffen oft als äußerst problematisch beschrieben werden. Generell ist das Arbeitsleben an Bord durch eine sehr ausgeprägte Hierarchie gekennzeichnet. Die einfache Formel lautet: Je schlechter bezahlt die Arbeit ist, desto eher kommen die Angestellten aus Niedriglohnländern in Asien, Südamerika oder Osteuropa und je weniger sie verdienen, desto weiter unten im Schiffsinneren sind sie untergebracht.

Der Großteil der Beschäftigten auf einem Kreuzfahrtschiff ist diesem unteren Lohnsegement zuzuordnen; so arbeiten beispielsweise 70 Prozent aller Beschäftigten mit einem Grundgehalt von wenigen hundert Dollar im schlechter bezahlten Hotel- und Restaurantbereich 12 bis 14 Stunden pro Tag. Darüber hinaus gibt es auch keine Arbeitsplatzsicherheit: der Großteil der Arbeitsverträge ist auf 6 bis 10 Monate befristet, dafür arbeitet man dann aber 7 Tage die Woche.

Nachhaltigkeit Kreuzfahrt Ökonomie
Generell wird von den Reedereien mit allen Tricks versucht, die Personalkosten so gering wie möglich zu halten. Eine beliebte Taktik dabei ist, die Kreuzfahrtschiffe unter der Flagge eines Landes mit schwachen Arbeitsrechten und geringen Sozialversicherungsstandards fahren zu lassen. Offiziell ist das Schiff dann auf den Bahamas, in Panama oder, innerhalb Europas, auf Zypern registriert. Die Rechte der ArbeitnehmerInnen finden beim Streben der Reedereien nach Profitmaximierung keine Berücksichtigung. Experten der Internationalen Föderation für Transportarbeiter (ITF) gehen davon aus, dass etwa 80 Prozent aller Kreuzfahrtschiffe weltweit in derartigen Staaten gemeldet sind.

Die schlechte Bezahlung des Personals wird bei den meisten Kreuzfahrtanbietern auf die KonsumentInnen abgewälzt. Verpflichtende Trinkgelder, die in den AGBs festgeschrieben sind und bei 10 US-Dollar pro Person und Tag beginnen, werden von den Passagieren am Ende der Kreuzfahrt eingehoben. Das Risiko verbleibt natürlich auch bei diesem Konstrukt vor allem bei der Crew: Ist das Schiff nicht ausgebucht, gibt es weniger Trinkgeld und während der Zeit, in der man nicht an Bord ist, verdient man gar nichts. Die Altersvorsorge ist dabei selbstverständlich Privatsache.

Nautisches Personal und Offiziere verdienen demgegenüber viel mehr und sind in der Regel auch besser untergebracht. Diese machen jedoch nur einen sehr geringen Teil der Besatzung aus. So waren beispielsweise im Jahr 2011 von knapp 5.000 MitarbeiterInnen der wohl bekanntesten deutschen Kreuzfahrt Reederei Aida nur etwa 700 im Offiziersbereich angestellt. Dieses Ungleichgewicht setzt sich auch bei den Herkunftsregionen des Personals fort. 88 Prozent der Angestellten im Offiziersbereich waren EU-BürgerInnen. Demgegenüber stammte im Crew-Bereich nur etwa jede/jeder Vierte aus der EU – die Hälfte aller Arbeitskräfte in diesem Bereich kommt von den Philippinen!

Warum arbeiten dann Menschen auf Kreuzfahrtschiffen?

Weltweit arbeiten etwa 150.000 Menschen an Bord von Kreuzfahrtschiffen. Laut der Cruise Lines International Association (CLIA) kommen bei den Schiffsbauern sowie in den Häfen und Hafenstädten noch einmal genauso viele hinzu. Insgesamt erwirtschafteten sie im Jahr 2012 einen weltweiten Umsatz von 48 Milliarden US-Dollar.

Warum arbeitet ein Großteil der Angestellten auf Kreuzfahrtschiffen unter an Ausbeutung grenzenden Verhältnissen? Ein Beispiel: Sind alle Kabinen besetzt, bekommt ein Kabinensteward, der für 16 Kabinen verantwortlich ist, bei einer US-amerikanischen Reederei im Monat 3500 US-Dollar an Trinkgelder. Dazu kommt noch der sehr geringe Grundgehalt, An- und Abreise zum Schiff, Krankenversicherung sowie freie Kost und Logis an Bord. Bei voller Auslastung des Schiffes verdient ein Crewmitglied von den Philippinen also bis zu zehnmal so viel wie in seinem Heimatland. Ein schlagendes Argument, trotz Ausbeutung…

Abhängigkeiten auch an Land

Die ökonomischen Auswirkungen sind allerdings nicht nur auf die hohe See beschränkt. Die Kreuzfahrtindustrie benötigt geeignete Infrastruktur in den Regionen, die angelaufen werden. Neben der technischen Infrastruktur (Häfen, Anleger, etc.) wird auch eine logistische und touristische Infrastruktur gebraucht. Bestände müssen während dem Anlegen aufgefüllt und TouristInnen zu den Sehenswürdigkeiten gebracht werden. Die dafür nötigen Investitionen überfordern allerdings oft die finanzielle Leistungsfähigkeit speziell neuer Kreuzfahrtdestinationen und dies kann wiederrum eine wirtschaftliche Abhängigkeit dieser Regionen von Kreuzfahrtunternehmen zur Folge haben.

Auswirkungen einer Kreuzfahrt auf der sozio-kulturellen Ebene

Monatelange Trennung von der Familie und von FreundInnen sowie die mangelnde Privatsphäre stellen das Zusammenleben der Crewmitglieder an Bord auf eine harte Probe. Gewohnt wird in kleinen Zweier-oder Dreier-Kabinen – eine gewisse Privatsphäre bietet nur das Zuziehen des Vorhangs des Stockbett-Abteils.

Nachhaltigkeit Kreuzfahrt Pooldeck
Zeit für sich hat man während der Kreuzfahrt nur sehr selten. Dazu kommt, dass die einzelnen Besatzungsmitglieder kaum Einfluss darauf haben, mit wem sie monatelang eine Kabine teilen. Das führt dazu, dass unterschiedliche Kulturen auf sehr engen Raum zusammenkommen und in Kombination mit dem alltäglichen Arbeitsstress an Board kann dies sehr schnell zu Missverständnissen und Konflikten führen. Die Situation wird dadurch verschärft, dass auf großen Kreuzfahrtschiffen bis zu 60 Nationen vertreten sind. Es wird die Vermutung geäußert, dass die Reedereien gezielt MitarbeiterInnen aus unterschiedlichsten Regionen der Welt einstellen, damit die Formulierung gemeinsamer Forderungen der NiedriglohnarbeiterInnen oder eine mögliche gewerkschaftliche Organisation an Bord erschwert werden.

Kann man also guten Gewissens auf eine Kreuzfahrt gehen?

Die am Anfang dieses Beitrages aufgeworfene Frage muss eindeutige mit nein beantwortete werden. Vor allem unter ökologischen Gesichtspunkten trifft dies aber auch auf Flugreisen zu. Der WWF kommt beispielsweise in einer Studie zum Schluss, dass eine 7-tägige Mittelmeerkreuzfahrt und ein zweiwöchiger Mallorca-Urlaub insgesamt über einer Tonne CO2-Emissionen pro Person und Reise verursachen. Der Großteil der Emissionen wird dabei allerdings in beiden Fällen durch die An- und Abreise mit dem Flugzeug verursacht.

Wir haben uns nach reiflicher Überlegung für Überführungskreuzfahrten als Alternative zum Flugzeug entschieden. Alle anderen Kreuzfahrten bei denen man im Kreis fährt und regelmäßig Landgänge durchführt (einer der Hauptverursacher von CO2-Emissionen), kommen für uns nicht in Frage.
Für Überführungskreuzfahrten sprechen für uns:

  • das Ziel ist die Überbrückung einer gewissen Distanz
  • eine sehr langsame Art des Reisen (man spürt die Distanz/Entfernung)
  • kaum Landgänge
  • unser in der Regel langer Aufenthalt in der Zieldestination

Wir werden weiterhin hier im Blog, aber auch auf unseren Social Media Kanälen Facebook, Twitter und Instagram über das Thema Nachhaltigkeit und Kreuzfahrt berichten.

Was denkst du über Kreuzfahrten? Warst du vielleicht schon einmal auf einem Cruise? Wir freuen uns über deine Gedanken und Erfahrungen in den Kommentaren.

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